Der Waldläufer
Minuten gönnen, bis er mit dem armen Teufel dort ein Ende gemacht hat; und das wird nicht lange dauern, denn der Tod eines Weißen ist ein Schauspiel, das ein Indianer eiligst zu genießen sucht.«
»Aber ist es jetzt nicht an der Zeit, einen Versuch zur Rettung dieses Unglücklichen, dem ein schrecklicher Tod bevorsteht, zu machen?« fragte Fabian.
Bois-Rosé befragte seinerseits seinen Gefährten mit einem Blick und antwortete: »Wir sagen nicht nein; aber unterdessen hoffe ich immer noch, daß irgendein unerwartetes Ereignis uns zu Hilfe kommt. Was auch Pepe dazu sagen mag – dieser Indianer kann immer noch seiner Sache nicht gewiß sein; zeigen wir uns aber, so wird er nicht mehr zweifeln.« Er wurde nachdenklich. »Ein Bündnis mit diesen Dämonen anzunehmen – selbst gegen Don Estévan – würde eine gemeine Feigheit sein. Was sollen wir tun? ... Was sollen wir tun? ...« fügte er unentschlossen hinzu.
Noch eine andere Besorgnis quälte ihn. Er hatte Fabian in der Gefahr gesehen, als sein Blut siedete unter der Glut der Leidenschaft. Besaß aber Fabian auch wohl den kalten, unbewegten Mut, der dem Tod trotzt, ohne aufgeregt zu werden? Besaß er jenen stoischen Gleichmut, von dem der Spanier und er, Bois-Rosé, tausend Proben gegeben hatten? Der Kanadier faßte einen plötzlichen Entschluß.
»Höre, Fabian, wirst du die Sprache eines Mannes verstehen? Werden die Worte, die durch die Ohren in dein Herz dringen, es nicht erstarren lassen?«
»Warum an meinem Mut zweifeln?« erwiderte Fabian im Ton sanften Vorwurfs. »Was du auch sagen magst, ich werde es hören, ohne zu erbleichen; was du auch tun magst, ich werde es tun, ohne zu zittern.«
»Don Fabian hat recht, Pepe!« sagte der Kanadier. »Sieh nur, wie stolz sein Auge seine einfache Sprache Lügen straft!« Und im Ausbruch seiner Freude drückte er Fabian an seine Brust und begann dann wieder mit einer gewissen Feierlichkeit: »Niemals haben sich drei Männer in einer größeren Gefahr befunden, als diejenige ist, die uns bedroht; unsere Feinde sind siebenmal stärker als wir. Wenn jeder von uns sechs Krieger getötet hat, so wird immer noch eine Anzahl übrigbleiben, die der unseren fast gleichkommt ...«
»Wir haben es schon gekonnt!« unterbrach ihn Pepe.
»Gut«, erwiderte Bois-Rosé; »was aber auch folgen möge – diese Dämonen sollen uns wenigstens nicht lebendig fangen. Laß hören, Fabian«, fügte der alte Mann mit einer Stimme hinzu, die nach Festigkeit rang, und entblößte zugleich ein langes breites Messer mit hornenem Griff. »Wenn wir kein Pulver mehr hätten und ohne Munition der Willkür dieser Hunde preisgegeben wären, was würdest du sagen, wenn in dem Augenblick, wo wir in ihre Hände fallen, dieser Dolch in meiner Hand die einzige Rettung wäre?«
»Ich würde sagen: ›Stoß zu, mein Vater; laß uns zusammen sterben!‹«
»Ja, ja«, sagte der Kanadier mit einem unaussprechlich zärtlichen Blick auf den Sprechenden, der ihn seinen Vater nannte, »das wäre noch ein Mittel, uns nicht mehr zu verlassen.« Und er reichte Fabian seine vor Aufregung zitternde Hand, der diese Hand eines Helden ehrerbietig küßte. Das Auge des Kanadiers leuchtete von einer stolzen Zärtlichkeit. »Jetzt«, sagte er, »mag kommen, was da will; wir werden uns nicht mehr trennen. Gott wird helfen – wir wollen die Rettung dieses Unglücklichen versuchen.«
»Ans Werk also!« sagte Fabian.
»Noch nicht, noch nicht, mein Kind; wir wollen erst sehen, was diese roten Dämonen mit ihrem Gefangenen vorhaben.«
Während dieses Gesprächs hatten die Indianer den Gefangenen herbeigeholt, ohne ihn jedoch am freien Gebrauch seiner Glieder zu hindern. In einer Entfernung von zwei Büchsenschüssen vom Ufer waren sie in einer geraden Linie aufgestellt. Der Weiße befand sich eine kurze Strecke diesseits seiner in gerader Linie stehenden Henker.
»Ich sehe, was sie tun wollen«, sagte Bois-Rosé; »so gut, als wäre ich bei ihrer Beratung zugegen gewesen. Sie wollen prüfen, ob die Füße des Unglücklichen fester sind als seine Hand. Diese Dämonen wollen sich das Vergnügen eines Wettlaufs machen.«
»Wieso?« fragte Fabian.
»Sie werden dem Gefangenen einen kleinen Vorsprung lassen, dann nimmt jeder auf ein gegebenes Zeichen seinen Anlauf. Die Indianer verfolgen ihn nun mit der Lanze oder der Streitaxt in der Hand. Wenn der Weiße schnellfüßig ist, so wird er eher als sie an den Fluß kommen, und wir wollen ihm dann zurufen, zu uns
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