Der Waldläufer
haben. Nun, Fabian, siehst du, wie vorteilhaft ein Feuern nacheinander ist? Die Schelme haben eine Viertelstunde lang genug. Für dein erstes Auftreten ist es nicht übel, und ich kann dir die Versicherung geben, daß du mit einer Kentuckybüchse, wie wir sie haben, ein recht guter Schütze sein wirst.«
Der augenblickliche Erfolg, den er eben errungen hatte, schien bei dem Kanadier die düsteren Gedanken verscheucht zu haben; er wandte sich an Gayferos, der dumpfe Seufzer ausstieß, und sagte: »Wir sind zu spät gekommen, um Eure Kopfhaut zu retten, mein Junge; beruhigt Euch, das ist nicht gefährlich. Ich habe eine Menge Freunde, die in derselben Lage sind wie Ihr und sich darum nicht schlechter befinden; man spart noch dabei, indem man sich das Haar nicht schneiden zu lassen braucht; das ist alles. Das Leben ist für den Augenblick gerettet, das ist das Wesentliche bei der Sache! Wir wollen nun versuchen, ob wir es auch ferner bewahren können.«
Mittels einiger Stücke von Gayferos' Kleidung legte man um seinen skalpierten Schädel einen groben Verband aus gequetschten und reichlich mit Wasser getränkten Weidenblättern. Nachdem man diesen Verband erst angelegt hatte, war an dem von Blut überströmten Kopf des Mexikaners die fürchterliche Wunde nicht mehr zu erblicken.
»Siehst du«, sagte der Kanadier, dem der Gedanke, seinen Fabian bei sich zu behalten, immer noch Vergnügen machte, »du mußt nun die Gewohnheiten in der Steppe und die indianischen Sitten kennenlernen. Die Schelme, die auf Kosten von drei der Ihrigen erfahren haben, von welchem Schlag wir sind, haben sich zurückgezogen, um durch List zu versuchen, was sie mit Gewalt nicht zu erreichen vermocht haben. Sieh nur, wie still alles nach so großem Lärm ist.«
In der Tat hatte die Steppe ihr düsteres, regungsloses Ansehen wieder angenommen; die Blätter der Zitterpappeln rauschten in der Abendluft, und die untergehende Sonne begann das Wasser des Flusses lebhafter zu färben. Jenseits der Fernsicht durch die Bäume war die eben noch so geräuschvolle Ebene nur noch eine weite Sandfläche, ebenso ruhig wie der Spiegel eines Sees.
»Nun, was meinst du, Pepe? Es sind jetzt nur noch siebzehn ...« fügte der Kanadier im Ton naiven Triumphes hinzu.
»Wenn es nur siebzehn sind«, erwiderte Pepe, »so sage ich wahrlich nicht, daß wir mit ihnen nicht fertig würden; aber wenn sie Verstärkung erhalten? ...»
»Darauf müssen wir es ankommen lassen! Es ist eine schreckliche Aussicht – aber unser Leben liegt in Gottes Hand«, antwortete Bois-Rosé, der von neuem auf seine Besorgnisse für Fabian zurückkam: »Sagt doch, Freund«, redete er Gayferos an, »Ihr seid doch wahrscheinlich aus dem Lager Don Estévans?«
»Kennt Ihr ihn denn?« fragte der Verwundete mit schwacher Stimme.
»Jawohl. Und auf welchem abenteuerlichen Ritt habt Ihr Euch denn so weit von Eurem Lager entfernt?«
Der Verwundete erzählte, wie er sich auf Befehl Don Estévans auf den Weg gemacht hatte, um ihren verirrten Führer wieder zu suchen, und wie er sich selbst verirrt und zu seinem Unglück mit den Indianern, die Jagd auf wilde Pferde machten, zusammengetroffen sei.
»Wie heißt dieser Führer?« fragte Fabian.
»Cuchillo.«
Fabian wechselte einen Blick des Einverständnisses mit Bois-Rosé.
»Ja«, sagte der Jäger, »es ist einige Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß dein Verdacht gegen diesen Teufel mit weißer Haut nicht ohne Grund ist und daß er wirklich die Expedition zum Val d'Or führt; aber, mein Kind, wenn wir diesen indianischen Hunden entgehen, sind wir dann nicht ganz in seiner Nähe? Haben wir uns erst einmal dort festgesetzt, so werden wir unser Ziel erreichen, und wenn es noch hundert an der Zahl wären.« Dies hatte er Fabian leise ins Ohr gesagt.
»Ein Wort noch«, sagte er zu dem Verwundeten, »dann sollt Ihr Ruhe haben. Wie viele Leute hat Don Estévan noch bei sich?«
»Sechzig ungefähr«, antwortete Gayferos.
Nachdem der Kanadier diese Erkundigung eingezogen hatte, kühlte er wiederum den schmerzenden Schädel des Verwundeten durch eine erneute Besprengung mit frischem Wasser. Der Unglückliche, der eine momentane Erleichterung fühlte, war so durch Gemütsaufregung und Blutverlust geschwächt, daß er in einen dem Tod ähnlichen Schlaf versank.
»Nun wollen wir an unsere Lage denken«, sagte der Kanadier, »und eine Verschanzung machen, die etwas mehr den Kugeln oder den Pfeilen widersteht als diese bewegliche Einfassung von Blättern
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