Der Waldläufer
verschafft. Er benützte ihn, um eine ferne Expedition nach einem Ort hin zu bilden, wohin sozusagen noch kein Weißer bis jetzt gedrungen war.
Da Don Estévan fast immer im Spiel verlor; da er ständig vergaß, wie wir schon gesagt haben, das Geld, das er ausgeliehen hatte, wieder einzufordern, und da man folglich nicht annehmen konnte, daß er vom Spiel oder vom Borgen lebte, so argwöhnte man, daß er nicht weit von Arizpe irgendein reiches Goldlager besäße und daß er noch reichere tief im Lande der Apachen wüßte.
Die von Zeit zu Zeit eintretenden Reisen von Señor Arechiza bestätigten diese erstere Annahme. Was die zweite anlangt, so sollte der Zufall nicht lange ausbleiben, um daraus eine Wahrheit zu machen. Wir werden weiter unten sagen, auf welche Weise.
Don Estévan hatte also weniger Mühe als jeder andere, dank dem Einfluß, den er ausübte, abenteuernde Gefährten zu finden. Schon begaben sich, sagte man, achtzig entschlossene Männer von verschiedenen Punkten Sonoras aus zum Presidio von Tubac an der indianischen Grenze, das Arechiza ihnen als Sammelplatz der Expedition bezeichnet hatte, und nach dem allgemeinen Gerücht war der Tag nahe, wo Don Estévan selbst von Arizpe abreisen sollte, um sich an ihre Spitze zu setzen. Dieses zuerst unbestimmte Gerücht wurde bald zur Gewißheit, als der Spanier bei einer der Mahlzeiten, die er gab, seinen Tischgenossen ankündigte, daß er sich innerhalb dreier Tage zum Presidio von Tubac auf den Weg machen würde. Während dieses Mahles wurde auch ein Bote in den Speisesaal geführt, und dieser übergab Don Estévan einen Brief, auf den er, wie er sagte, eine Antwort erwarte.
Der Spanier bat seine Gäste um Entschuldigung und brach das Siegel des Briefes.
Da alles im Verfahren des Fremden einen geheimnisvollen Charakter annahm, so schwiegen seine Gäste einen Augenblick, um seine Haltung und sein Mienenspiel zu prüfen. Aber die unempfindliche Gestalt Don Estévans, der sich allgemein beobachtet sah, verriet keinen seiner Gedanken; es ist wahr, er wußte vollkommen seine Empfindungen zu verbergen, und vielleicht hatte er an diesem Tag seine ganze Selbstbeherrschung nötig. »Es ist gut«, sagte er ruhig zum Boten. »Bringt dem, der Euch sendet, die Antwort, daß ich nach genau drei Tagen, von heute an gerechnet, am bestimmten Ort sein werde.«
Er verabschiedete ihn, indem er sich abermals bei seinen Gästen wegen der Unhöflichkeit entschuldigte, zu der er genötigt gewesen war. Dann nahm die unterbrochene Mahlzeit wieder ihren Verlauf, doch schien der Spanier nachdenklicher als gewöhnlich, und als seine Gäste sich entfernten, zweifelten sie nicht, daß er irgendeine Nachricht von großem Interesse für ihn empfangen hätte.
Wir wollen die Bewohner Arizpes ihren Vermutungen überlassen und Don Estévan zu jener geheimnisvollen Zusammenkunft begleiten, zu der er eben an einem Ort eingeladen war, der gerade auf dem Weg zum Presidio von Tubac lag.
Wenn man Arizpe verlassen hat, trifft man auf dem Marsch nach dem erwähnten Presidio nur von Zeit zu Zeit verfallene, zuweilen zusammenliegende Wohnungen; öfter noch liegen sie ganz vereinzelt. Diese Wohnungen sind etwa durch eine Entfernung voneinander getrennt, die ein Pferd zwischen Sonnenaufgang und Untergang zurücklegen kann. Daraus folgt, daß sie ebenso viele Haltepunkte für die Reisenden sind, die sich zur Grenze begeben. Aber die Reisenden sind nicht zahlreich, und die Bewohner jener Hütten bringen einen Teil ihres Lebens in tiefer Einsamkeit zu. Ein Maisfeld, das sie bebauen; einige Stück Rindvieh, die sie auf jenen duftreichen Triften mästen, die dem Fleisch eine ausgesuchte Schmackhaftigkeit verleihen; ein immer heiterer Himmel und besonders eine wunderbare Mäßigkeit lassen diese Steppenwirte wenn nicht im Wohlstand, doch fern von aller Sorge leben. Welche Wünsche könnte auch wohl der Mensch haben, dessen Decke der blaue Himmel ist und der im Rauch einer Zigarre ein untrügliches Schutzmittel gegen die Angriffe des Hungers findet?
An einem Morgen des Jahres 1830 saß – oder lag vielmehr – halb an der Tür einer Hütte, etwa drei Tagereisen von Arizpe, ein Mann auf einer der wollenen, sorgfältig gearbeiteten Decken, die man Zarapas nennt. Einige hier und da in einem vollkommenen Zustand der Verlassenheit verstreut liegende Hütten kündigten eines jener Dörfer an, die nur während der Regenzeit und während eines Teils der trockenen Monate von einer nomadischen Bevölkerung bewohnt
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