Der Waldläufer
fieberhafte Spannung nicht zu empfinden, die so oft inmitten einer volkreichen Stadt den zuerst am Bestimmungsort Angekommenen ergreift. In der Steppe kann derjenige, der hundert Meilen zurückgelegt hat, hundert Stunden warten, während dagegen in den großen Städten, wo das Leben wie ein Sturzbach zwischen zwei eingeengten Ufern dahinströmt, eine Stunde Wegs nur eine Viertelstunde ruhigen Wartens gestattet, denn der Weg wird hier eine Reise, die Viertelstunde ein Jahrhundert.
Auch begnügte sich der Unbekannte, als das Geräusch der Schritte eines Pferdes mitten durch die hallenden Tiefen des Waldes an sein Ohr schlug, ruhig seine Stellung zu ändern, während sein Pferd freudig wieherte und den Kopf hob. Er lauschte. Die Schritte wurden langsamer, als ob der Reiter zweifelte: endlich an dem Punkt, wo die beiden Wege sich kreuzten, ein neuer Ankömmling. Es war ein Mann von hohem Wuchs, mit dickem, schwarzem Bart, in Leder gekleidet wie der erste; er saß auf einem Pferd, das ebenso dauerhaft als schnellfüßig schien. Diese beiden Männer machten, als sie einander erblickten, dieselbe durch ihre gleich verdächtige Miene gerechtfertigte Bemerkung.
»Caramba!« murmelte der neue Ankömmling. »Wenn mir nicht im voraus gesagt worden wäre, daß dies der Reiter ist, an den ich gesandt bin, so würde ich glauben, ein schlechtes Zusammentreffen gefunden zu haben!«
Der Mann auf der Erde sagte leise zu sich: »Wenn diese verdammte Sieben in Bastos mir noch einige Piaster in der Tasche gelassen hätte, so würde ich sie, bei Gott, in großer Gefahr glauben!«
Indessen schien der Reiter nicht mehr ungewiß zu sein; er spornte sein Pferd an, das sich bei den Feuerbränden des Herdes aufbäumte, nahm höflich den Hut in die Hand und sagte: »Ohne Zweifel habe ich die Ehre, mit Don Pedro Cuchillo zu sprechen?«
»Mit ihm selbst, mein Herr!« sagte der Mann, der mit Cuchillo angeredet war, und erhob sich mit nicht geringerer Höflichkeit.
»Ich bin der Abgesandte von Don Arechiza, dem ich nur um einige Stunden voraus bin«, sagte der zuletzt Angekommene. »Mein Name ist Manuel Baraja, Euch zu dienen.«
»Gut; Eure Herrlichkeit steige gefälligst ab«, sagte Cuchillo.
Der neue Ankömmling ließ sich diese Einladung nicht zweimal sagen; darauf schnallte er von seinen Fersen ungeheuer große Sporen, sattelte hurtig sein Pferd ab, wand ihm einen langen Riemen um den Hals und ließ es mit einem kräftigen Schlag seiner flachen Hand auf die Hüfte ohne Umstände laufen, um die magere Kost seines Gefährten zu teilen.
In diesem Augenblick begann das Fleisch, das über den Kohlen röstete, einen Geruch zu verbreiten, der mit dem einer verlöschenden Lampe verglichen werden konnte. Baraja warf einen lüsternen Blick darauf. »Es scheint mir, Señor Cuchillo«, sagte er, »daß Ihr Euch nichts versagt. Caramba! Tortillas aus Käse und trockenem Fleisch! Das ist ein fürstliches Mahl!«
»O ja«, erwiderte Cuchillo mit einer gewissen Geziertheit, »ich pflege mich ziemlich gut. Übrigens«, setzte er hinzu, »freut es mich, daß dieses Gericht nach Eurem Geschmack ist, denn es steht Euch ganz zu Diensten.«
»Ihr seid allzu gütig, und ich nehme ohne weitere Umstände an; die Morgenluft hat mir Appetit gemacht. – Darf ich Euch alles Gute sagen, Señor Cuchillo, was ich von Euch beim ersten Anblick gedacht habe?« sagte Baraja, indem er mit der Spitze seines langen Messers eines der trockenen Fleischstücke mitten aus den Kohlen herausholte.
»Ihr würdet meine Bescheidenheit erschrecken!« erwiderte Cuchillo. »Ich möchte Euch lieber sagen, wie sehr mich der erste Blick zu Euren Gunsten eingenommen hat.«
Die beiden neuen Freunde wechselten eine freundliche Verbeugung miteinander und machten sich wieder an ihre Mahlzeit.
Cuchillo nahm das Wort: »Ist es gefällig, Señor Baraja, ein wenig über unsere Geschäfte zu reden!«
»Sehr gern!«
»Don Estévan Arechiza hat doch die Nachricht empfangen, die ich ihm habe zukommen lassen?«
»Er hat sie empfangen«, erwiderte Baraja. »Aber was sagt diese Nachricht? Nur Ihr und er wißt es.«
»Ich glaube es wohl«, murmelte Cuchillo.
»Herr Arechiza«, fuhr der Abgesandte fort, »wollte nach Tubac aufbrechen, als er Euren Brief erhielt. Ich sollte ihn begleiten, aber er ließ mich mit den Worten vorausreiten: ›In dem kleinen Dorf Huerfano werdet Ihr einen Mann namens Cuchillo finden; Ihr werdet ihm sagen, daß das Geschäft, das er mir vorschlägt, eine ernste
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