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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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wollten die Parlamentäre zu erfahren suchen.
    »Wir bringen hier Friedensvorschläge, die den Weißen wie den Indianern angenehm sein werden«, sagte der Schwarze Falke; »aber unser Herz ist traurig, denn man soll die Überbringer guter Nachrichten ehren, und hier empfangen unsere Brüder die indianischen Gesandten in der heißen Sonnenglut, während doch das Zelt des Häuptlings« – er zeigte auf das Zelt Don Estévans – »sich öffnen sollte, sie aufzunehmen! Von der Höhe des Hügels werden sich die Worte eines Häuptlings besser verstehen lassen.« Der Indianer machte einen Umweg, um seinen Zweck zu erreichen.
    Der improvisierte Chef erschrak bei diesem offenbaren Beweis, daß er einen Verstoß gemacht hatte; aber er hatte nicht Zeit gehabt, seine Rolle gründlich einzustudieren. Gomez beeilte sich, den Wunsch der Parlamentäre zu erfüllen, und ging unter das verlassene Zelt Don Estévans voran; aber der Schwarze Falke hatte die schreckliche Rolle, die er spielen mußte, gründlich studiert, und obgleich es ein gefährliches Drama war, dessen Prolog er jetzt aufführte, so setzte er sich doch mit ebenso großer Kaltblütigkeit nieder, als ob er die Redlichkeit und der Friede in Person gewesen wäre.
    Gomez hob den Leinwandvorhang des Zeltes in die Höhe und befestigte ihn so, daß seine Falten die Indianer nicht verdeckten; dann wartete er, daß sie endlich den Gegenstand ihrer Sendung genauer auseinandersetzten, als es bis jetzt geschehen war. Die Indianer jedoch behielten auch ferner dieselbe Ruhe, dasselbe Schweigen bei.
    Gomez glaubte das Wort nehmen zu müssen. »Ich erwarte«, sagte er mit mehr Würde, als er bis jetzt gezeigt hatte, »die Friedensworte meiner Brüder aus der Steppe. Die Ohren eines Häuptlings sind geöffnet.«
    Der arme Gomez wünschte sich innerlich zu dieser ganz dem indianischen Geist angemessenen Redensart Glück; aber der Schwarze Falke ließ ihn sein eingebildetes Glück nicht lange genießen. Der wilde Krieger hob langsam das Haupt empor; ein Ausdruck verwundeten Stolzes ließ seine Nasenflügel sich schwellen, als ob er zum erstenmal den Betrug des Weißen entdeckte, und sein funkelnder Blick ließ seinen Zuhörer bleich werden; dann sagte er mit einer Stimme, die immer lauter wurde wie der Donner, der plötzlich an einem heiteren Tag in der Ferne grollt: »Ich sehe hier nur einen Häuptling« – er setzte einen Finger auf seine nackte Brust –, »einen indianischen Häuptling. Wo ist der weiße Häuptling? Ich sehe ihn nicht!«
    Durch diese stolze Antwort wurde der Abenteurer ganz bestürzt; er fühlte, daß er entlarvt war. Er machte den Versuch, seine Gedanken zu ordnen und sich ebenfalls die Haltung eines Mannes zu geben, der in seinem gerechten Stolz beleidigt ist.
    Aber der Schwarze Falke fuhr fort: »Warum einen redlichen Indianer betrügen wollen?«
    »Gomez betrügt niemals jemand!« antwortete der Mexikaner stotternd. »Ich habe es Euch gesagt: Ich bin der Häuptling, der einzige Häuptling.«
    Der Schwarze Falke machte der Antilope ein Zeichen. Der Läufer schaute nun ebenfalls den Abenteurer, den er vollends in Verwirrung bringen wollte, fest an. »Der einzige Häuptling, sagst du? Der Herr dieses leinenen Wigwams, der Krieger mit dem Sternenbanner, das auf der Spitze weht?«
    »Ich bin das alles!« sagte der Mexikaner.
    »Ich habe eine Lüge gehört!« rief der Schwarze Falke diesmal mit donnernder Stimme. »Ein Häuptling wie ich darf nicht zwei vernehmen!«
    Antilope spielte die Rolle des Vermittlers und warf sich zwischen den Zorn des indianischen Häuptlings und den Unmut des Mexikaners; er bat den Schwarzen Falken, der entschlossen schien, sich zu erheben und die Unterredung zornig abzubrechen, sitzen zu bleiben; dann wandte er sich an Gomez: »Der weiße Krieger«, sagte er, »hat sich über seine Freunde, die Indianer, lustigmachen oder ihren Verstand auf die Probe stellen wollen. Er weiß recht gut, daß er nicht der Häuptling mit der doppelläufigen Büchse ist; mit dem schwarzen Haar, das anfängt, weiß zu werden; mit dem emporstehenden Schnurrbart; mit dem hohen Wuchs und den breiten Schultern.« Der Indianer schilderte die Erscheinung Don Estévans. »Er weiß recht gut, daß diese Hütte aus Leinwand nicht ihm gehört; ebensowenig wie auch sein Name nicht ein Name ist, den das Echo der Wildnis wiederholt hat. Dieser Name ist der eines anderen Häuptlings. Dieser Häuptling ist klein wie mein Bruder; aber sein Wuchs ist das doppelte Maß des

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