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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Haupt neigte, als ob er aufmerksamer auf das Geräusch horchen wollte, das bald das Schweigen der Steppe unterbrechen sollte.
    Dieses Schweigen war ehrfurchtgebietend. Diese großen wellenförmigen Ebenen, über denen nach und nach der schwarze Himmel oder die aufgehenden Sterne erschienen, waren stumm wie dieser Himmel. Gerade in der Dämmerung, die auf den Sonnenschein folgt, nimmt die Steppe einen wilderen und großartigeren Charakter an, und die Nacht mit dem Schrecken in ihrem Gefolge war hereingebrochen.
    Im Lager wurde die schreckliche Ruhe der wüsten Einöden, in denen es aufgeschlagen war, nur durch das Geflüster einiger Gruppen Abenteurer oder durch den halblauten Gesang eines unruhigen Goldsuchers unterbrochen. Alle warfen von Zeit zu Zeit mißtrauische Blicke auf die Apachengruppe, die sich vor ihren Pferden gelagert hatte. Sie schienen ebenso unbeweglich wie die Felsblöcke, denen die Dunkelheit zuweilen eine menschliche Form verleiht; aber sie schienen – vielleicht der Dunkelheit halber – von Minute zu Minute immer entfernter zu sein.
    »Das ist sonderbar«, sagte einer der Abenteurer mit nachdenklicher Miene zu Gomez; »die Indianer schienen mir eben noch dieser Erdvertiefung viel näher gewesen zu sein.«
    »Es ist eine optische Täuschung«, antwortete Gomez, der aufgelegt war, alles in einem rosenfarbigen Licht zu sehen.
    »Seht, Gomez«, sagte ein anderer, »ich spüre hier nicht den geringsten Lufthauch, und doch scheint der Wind dort unten vor den Indianern Sandwolken aufzujagen.«
    »Das macht, weil wir vor dem Wind durch unsere Wagenburg gedeckt sind, und die Steppe dort hat keine geschützte Seite.«
    Unterdessen schien, wenn man von dem immer unbestimmteren Umriß der Indianer schließen durfte, die Finsternis sich zu verdoppeln, und bald fragten in der Gruppe – der Gomez vergeblich das Vertrauen, das ihm seine Geisel einflößte, mitzuteilen suchte – mehrere einander, ob der entfernte Schatten, den man kaum noch bemerkte, von den Indianern oder von Nopalsträuchern herrührte. Bald wurde die Ungewißheit in dieser Beziehung so groß, daß einer der Abenteurer sich entschloß, das wirkliche Sachverhältnis zu untersuchen, und sich mit der Büchse auf der Schulter entfernte.
    Was man bemerkte, waren wirklich nur Nopalbüsche und nicht Menschen und Pferde. Die Indianer hatten die wachsende Dunkelheit benützt, um sich langsam zu entfernen, ohne ihre Stellung zu verändern. Die Staubwirbel, die sie in der Luft erregten, hatten ebenfalls dazu gedient, ihre Bewegungen unsichtbar zu machen, und so hatten sie sich wieder mit ihren Gefährten vereinigt. Als der Kundschafter zu der Stelle kam, wo die Apachen gesessen hatten, fand er den Platz und die Steppe, soweit er sie überblicken konnte, öde und leer. Er lief hastig zum Lager zurück, um die Nachricht vom Verschwinden der Indianer zu überbringen. Dieses Ereignis war ein ärgerliches Zeichen.
    Vom Gipfel des Hügels, den er immer noch einnahm, hatte Antilope nicht eine Bewegung seiner Stammesgenossen aus den Augen verloren. Gomez wurde von den Abenteurern genötigt, über diesen Gegenstand Auskunft zu verlangen, und ging – sehr ungern – auf ihn zu. »Warum hat der Häuptling nicht seinen Kriegern befohlen, bei den Weißen zu bleiben?« sagte er.
    »Was will mein Bruder sagen?« erwiderte der Indianer, der tat, als ob er nicht verstünde. »Von welchen Kriegern will er reden?«
    »Von denen, die eben noch dort unten wie Freunde lagerten und jetzt wie Feinde verschwunden sind.«
    »Man kann in der Dunkelheit nicht weit blicken; die Weißen haben nicht genau hingesehen; sie müssen ihre Feuer anzünden, und die Flamme wird sie diejenigen sehen lassen, die sie suchen. Was liegt übrigens daran? Haben sie nicht in ihren Händen den Häuptling eines ganzen Stammes, der die Rückkehr seiner Gesandten erwartet? Unsere Krieger werden ihnen sagen wollen, sich zu beeilen.«
    Diese Antwort des listigen Indianers weckte in Gomez eine plötzliche Erinnerung. Er bebte, und der Läufer bemerkte es; eben hatte er daran gedacht, daß am Abend vorher alles trockene Holz, womit das Lager erleuchtet werden mußte, verbrannt war und daß man während des unruhevollen Tages vergessen hatte, den Vorrat zu erneuern. Es war zu spät, es jetzt zu tun.
    Dieser seinen verräterischen Absichten so günstige, die Weißen aber sehr beunruhigende Umstand war dem Läufer ebensowenig als den anderen entgangen, und er hatte seine Zweifel darüber aufklären wollen;

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