Der Waldläufer
marschierten sie ruhig auf die Wagenburg zu. Einer von ihnen schwang an der Spitze seiner Lanze einen weißen Lappen, der die Stelle der Fahne vertrat, die in allen Ländern das Symbol des Friedens ist.
Als sie noch zwei Büchsenschüsse weit entfernt waren, trennte sich der Reiter mit dem weißen Fähnchen von der Gruppe; die übrigen hielten an. Nach einigen Schritten hielt auch der Parlamentär an und schwenkte abermals sein Fähnchen.
Einer von den Abenteurern war aus dem Presidio von Tubac und hatte in einiger Verbindung mit den Apachenstämmen gestanden; er wußte genug von ihrer Sprache, um den an der Grenze gebräuchlichen indianisch und spanisch gemischten Dialekt zu verstehen und zu sprechen. Er war ein kleiner, magerer Mann, der in den Augen der Indianer, die wie alle rohen Völker Bewunderer äußerlicher Schönheit sind, die höchste Autorität ziemlich schlecht repräsentieren mußte. Auch sträubte er sich mit aller Gewalt, diese Rolle zu übernehmen, mußte jedoch endlich einwilligen. Die Abenteurer durften sich im Interesse ihrer eigenen Wohlfahrt und des glücklichen Erfolgs der Konferenz nicht den Anschein geben, als ob sie ihren Chef verloren hätten. Ein weißes Tuch mußte ihrerseits die Parlamentärfahne darstellen.
Der Abenteurer – sein Name war Gomez – verließ sehr aufgeregt die Verschanzungen, um dem Indianer entgegenzureiten, dessen feste Haltung seinem furchtsamen Wesen gegenüber sehr abstach. Indes faßte er sich doch beim Anblick des blutigen Verbandes, der die eine Schulter des Apachenkriegers verhüllte. – Man hat an dieser Wunde schon den Schwarzen Falken erkannt.
Der Mexikaner und der Indianer grüßten sich, und der Schwarze Falke nahm zuerst das Wort. »Es sind ohne Zweifel zwei Häuptlinge, die miteinander sprechen wollen«, sagte der Indianer artig. Der Mexikaner antwortete nicht weniger höflich, aber eine gewisse Verwirrung strafte seine Bejahung ein wenig Lügen.
»Ein großer Geist wohnt manchmal in einem kleinen Körper; mein weißer Bruder muß ein großer Häuptling sein!«
In dieser zweideutigen Antwort lag mehr Ironie als Freimütigkeit, aber der Ton des Indianers zeugte nur von einer vollständigen Überzeugung, obgleich sein Feingefühl durch den Goldsucher nicht befriedigt war. Der Schwarze Falke heftete ein paar Augen auf Gomez, die bis auf den Grund seines Herzens dringen zu wollen schienen. Der Mexikaner konnte diesen forschenden, schrecklichen Blick nicht aushalten; er schlug die Augen nieder, als der Indianer begann: »Mein Bruder lügt nicht, wenn er sich für einen Häuptling ausgibt; aber im Lager der Weißen sind ohne Zweifel mehrere, und er ist einer von ihnen.«
»Ich bin der einzige«, antwortete der Abenteurer sichtlich verwirrt.
Beim Anblick eines Chefs von so wenig imponierendem Äußeren fühlte der Schwarze Falke, daß er mit einem armen Teufel, der so unfähig war, es mit ihm an List und Entschlossenheit aufzunehmen, leichtes Spiel haben würde; sein Auge blitzte darum mit einem noch unheimlicheren Glanz. Er faßte den Entschluß, sich über die Wahrhaftigkeit des sogenannten Chefs Gewißheit zu verschaffen.
»Die Worte, die ich überbringe, sind Worte des Friedens; alle Krieger des Südens sollten um mich versammelt sein, sie zu hören. Die Indianer würden den Abgesandten der Weißen an ihrem Beratungsfeuer empfangen; er würde unter das Zelt des Häuptlings treten. Warum läßt der Häuptling der Weißen den Indianer, der zu ihm kommt, so weit vom Lager halten?«
Gomez zögerte; er wollte den Wolf nicht in den Schafstall führen.
Der Schwarze Falke sah dieses Zögern; seine Augenbrauen zogen sich zusammen; eine dunkle Wolke wie beim Drohen eines Gewitters zog über die Stirn des Indianers; seine Augen leuchteten wie die Blitze, die die Wolke entsendet. »Der Häuptling der Apachen ist kein Häuptling, den man nicht in sein Zelt lädt. In der einen Hand hält er den Krieg, die andere umschließt den Frieden; welche von beiden soll er öffnen?«
Diese Drohung mit einem Bruch und der Ton, mit dem es gesagt wurde, schüchterten den Mexikaner ganz und gar ein. Er stand auf dem Punkt, zu antworten, daß er seine Gefährten fragen wolle, aber er besann sich noch zeitig genug.
Der verschmitzte Indianer fuhr mit etwas spöttischem Ton fort: »Ein einziger von meinen Kriegern wird mich begleiten. Sind die Weißen so gering an Zahl, daß sie sich vor zwei Kriegern fürchten müssen, die unter sie treten? Ist ihr Lager nicht befestigt?
Weitere Kostenlose Bücher