Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
so lautet das Gesetz.«
    »Wenn Ihr nun den Räuber Eures Namens und den Mörder Eurer Mutter lange Tage hindurch mitten unter stets sich erneuernden Gefahren hitzig verfolgt hättet, und das Los der Waffen hätte ihn endlich in Eure Hände fallen lassen, würdet Ihr das Gesetz, das Ihr anführt, auf ihn anwenden?«
    »Ich würde mich schuldig vor Gott und den Menschen glauben, wenn ich es nicht täte.«
    »Wohlan, Diaz«, fuhr Fabian nachdrücklich fort; »man hat mir meinen Namen, mein Vermögen geraubt, und man hat meine Mutter ermordet; aus der Tiefe des Abgrunds, in den man mich gestoßen hat, habe ich erst seit kurzer Zeit die Höhe messen können, von der man mich gestürzt hat; ich habe den Mörder meiner Mutter und den Räuber meines Namens verfolgt. Das Los der Waffen hat ihn in meine Hände gegeben, und dort ist er!«
    Als Fabian diese Worte gesprochen hatte, deren Ton nicht in die Ohren des Gefangenen klang, zeigte er Diaz mit dem Finger den Grafen von Mediana als den, den die Vorsehung eben in seine Hand gegeben hatte.
    Eine Wolke von Schmerz verdunkelte die Augen des Abenteurers beim Anblick des Chefs, dessen Todesurteil er, ohne es zu wissen, ausgesprochen hatte; denn das unerbittliche Rechtsgefühl, das Gott in das Herz des Menschen geprägt hat, sagte ihm, daß Don Estevan sein Schicksal verdient hatte, sofern Fabian ihn nicht mit Unrecht anklagte. Diaz senkte traurig das Haupt, erstickte einen Seufzer und schwieg.
    Während sich diese Ereignisse in diesem Winkel der unermeßlichen Steppe zutrugen, hätten die handelnden Personen des Dramas, das aufgeführt werden sollte, sehen können, wie Cuchillo die schwammige Decke über seinem Haupt emporhob, einen gierigen Blick auf das Val d'Or warf und triefend den See verließ; wie einer von den bösen Geistern, denen der indianische Aberglaube diese düsteren Berge zur Wohnung gab.
    Aber die feierliche Lage nahm die ganze Aufmerksamkeit Diaz', Bois-Rosés und seiner beiden Gefährten in Anspruch.

43 Die Schakale wollen den Anteil der Löwen haben
    Fabian, Bois-Rosé und der spanische Jäger hatten, beherrscht vom raschen Verlauf der Ereignisse im vorhergehenden Kapitel, einige Augenblicke lang das Verschwinden Barajas und Oroches ganz vergessen.
    Man hat genug von den geheimen Gedanken gesehen, die in den Herzen der beiden Taugenichtse einige Zeit vor der Katastrophe aufstiegen, durch die sie sich plötzlich von ihren Gefährten getrennt fanden; man wird also auch ihre Stimmung gegeneinander ahnen, als sie sich allein sahen.
    Der erste Büchsenschuß, den sie auf ihrer Flucht vernahmen – es war der, der das Pferd Don Estevans mit seinen beiden Reitern niederwarf –, tönte lustig in ihrem Herzen wider. Einer von den Besitzern dieses wunderbaren Geheimnisses war ohne Zweifel dem Schweigen des Todes anheimgefallen. Der andere mußte wahrscheinlich sein Geheimnis ebenfalls bald in eine bessere Welt mit hinübernehmen, wo man sich nicht mehr um alles Gold der Erde kümmert.
    Als sich beide hinter den steilen Felsen, die das Val d'Or im Westen begrenzten, in Sicherheit erblickten, hatten sie keine Zeit verloren, um sich von dem Ort zu entfernen, der ihnen beinahe so verderblich geworden wäre. Diese Felsenkette hatte nach der Ebene hin eine ziemlich sanfte Abdachung und vereinigte sich wieder mit den Nebelbergen wie eine an deren Seiten stehende Geldkiste. Die beiden Abenteurer folgten dieser Art von Wall, und es wurde ihnen somit leicht, die undurchdringlichen Schlupfwinkel der Sierra zu erreichen. Sie machten nun in einer tiefen Schlucht halt, auf deren Grund sie sich, von dem über ihrem Kopf schwebenden Nebel bedeckt, vollständig in Sicherheit befanden. Hier überströmte Freude ihr Herz, und ihre Gefühle waren anfänglich zu lebhaft, als daß es ihnen möglich gewesen wäre, im ersten Augenblick auch nur ein Wort miteinander zu wechseln.
    »Erlaubt mir, Señor Oroche«, sagte Baraja, der zuerst wieder Worte fand, »Euch Glück zu wünschen, daß Ihr den Büchsen dieser halsstarrigen Jaguartöter entgangen seid.«
    »Um so lieber, Señor Baraja, als es Euch, wenn Euer Schädel von einer Kugel zerschmettert worden wäre ... denn diese eingefleischten Teufel zielen immer den Leuten gar zu gern nach dem Kopf –, sehr schwer geworden wäre, Eure Komplimente an mich zu richten. Ich bin sehr froh, Euch am Leben zu sehen.«
    Hiermit schminkte nun Oroche die Wahrheit ein wenig. Im Grunde und ohne sich gerade Rechenschaft zu geben, warum, wäre er fast lieber

Weitere Kostenlose Bücher