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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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allein geblieben. Die Nähe eines Schatzes weckt gewöhnlich bei den Menschen das Verlangen nach Einsamkeit.
    Vielleicht waren die Komplimente Barajas nicht aufrichtiger als die Oroches, und wir zweifeln, daß die Gewohnheit der Jaguartöter, ihren Feinden nach dem Kopf zu zielen, ihm nicht so betrübend als dem Gambusino vorgekommen sein würde, wenn dieser ihr Opfer geworden wäre. Tatsache ist, daß die beiden Schelme infolge gleicher Gedanken, die aus ihrer engen Freundschaft entsprangen, plötzlich träumerisch wurden.
    Ein Büchsenschuß, der vom Echo der Berge zurückgeworfen wurde, unterbrach ihre sympathischen Träumereien.
    »Das ist der zweite Schuß, der die tiefe Ruhe dieser Einöden stört. Der erste hat Diaz` Schädel zerschmettern müssen, und der Gedanke, daß der zweite ebenso die Feldzüge Don Estévans beendet hätte, wäre mir sehr schmerzlich«, sagte Oroche, der ziemlich schlecht sein lebhaftes Verlangen verbarg, das Geheimnis des Val d`Or allein zu besitzen.
    »Ich begreife es«, antwortete Baraja zerstreut; »diese Einöden sind schrecklich für zwei einsame Menschen, wie wir es nun sein werden.«
    Caramba! dachte Oroche. Sollte mich mein Freund Baraja – was er auch darüber sagen möge – denn schon als überflüssig bei ihm betrachten?
    »Warum zieht Ihr den Hahn Eurer Büchse auf, Señor Oroche?« fragte Baraja seinen Freund.
    »Weiß man denn, was sich in diesen Steppen ereignen kann? Seht, man muß auf alles vorbereitet sein.«
    »Ihr habt recht; man weiß nicht, was geschehen kann.« Bei diesen Worten ließ auch Baraja wie sein Freund das Schloß seiner Büchse spielen und setzte sich in Verteidigungszustand.
    Als ob der Dämon des Goldes, der diese Berge bewohnte und dessen mordgieriger Atem sie beide erbeben ließ, an den zügellosen Leidenschaften und wütenden Kämpfen, die das Val d`Or noch erwecken sollte, seine Lust gehabt hätte, hörte man plötzlich einen dumpfen, unterirdischen Lärm unter dem Dunstvorhang der Nebelberge.
    »Wie nun? Was sollen wir jetzt tun?« sagte Oroche, dessen Bestrebungen nach Einsamkeit, die anfänglich noch unbestimmter waren, auf erschreckende Weise immer bestimmter hervortraten.
    »Sind wir stark genug, diese drei verteufelten Jäger aus ihrer Festung zu vertreiben?«
    »Nein.«
    »Wohlan, so müssen wir zum Lager zurückkehren«, antwortete Baraja, »mit Verstärkung wiederkommen und die Räuber der Schätze, die in dem Euch bekannten Tal ausgebreitet liegen, niedermachen.«
    »Brechen wir also so schnell wie möglich auf!« rief Oroche mit Ungestüm.
    »Wir haben keine Minute zu verlieren«, fügte Baraja hinzu.
    Aber keiner von ihnen rührte sich – aus dem einfachen Grund, weil Oroche ebensowenig wie sein Freund es sich angelegen sein ließ, den Weg ins Val d`Or dem Schwarm raubgieriger Geier zu zeigen, die sie im Lager zurückgelassen hatten. Sie dachten ganz richtig, daß die drei Jäger – sollte auch jeder soviel Gold mitnehmen, als er selbst schwer war – doch immer noch mehr demjenigen von ihnen, der den anderen überlebte, übriglassen würden, als wenn die ganze Truppe der Abenteurer, von ihnen geleitet, sich auf die reiche Beute stürzte. Beide stellten sich bebend vor, wie dieses jungfräuliche, blitzende Val d`Or von ihren gierigen Gefährten überflutet und entweiht auf seiner besudelten Oberfläche nur noch die unreine Spur ihrer Schritte übrigbehalten würde.
    Wie heißhungrige Schakale auf die Entfernung des gesättigten Löwen lauern, um die Überbleibsel, die er verschmäht hat, zu verschlingen, so wollten auch Oroche und Baraja, ohne es auszusprechen, ganz allein das Fortgehen der Jäger abwarten, da deren Gegenwart sie beide zur Flucht nötigte.
    »Hört«, sagte Baraja, »ich will geradeheraus mit Euch sprechen.«
    Welche Lüge wird der Schelm mir erzählen? dachte Oroche bei sich. »Von Eurer Ehrlichkeit habe ich nicht weniger erwartet«, antwortete er laut.
    »Ihr fürchtet, daß wir bei der Rückkehr nach dem Lager auf unserer Flucht entdeckt würden?«
    »Ihr habt einen außerordentlichen Scharfsinn«, erwiderte Oroche.
    »Das ist ganz natürlich«, fuhr Baraja im Ton liebenswürdiger Gutmütigkeit fort; »zwei Menschen ziehen die Aufmerksamkeit mehr auf sich als einer.«
    »Man kann in den Gedanken eines Mannes nicht deutlicher lesen«, antwortete nun Oroche mit so viel Hingebung, daß Baraja einen Augenblick davor erschrak.
    »Wohlan, da Ihr so vollkommen meine Gedanken teilt, so werdet Ihr auch meine Absicht

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