Der Waldläufer
fast vor ihren Füßen liegenden Goldklumpen wühlen zu können; daß es aber doch besser sei, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben und das Leben mit der Hoffnung zu erhalten, an einem oder dem anderen Tag zum Val d'Or zurückzukehren. Sie waren also entschlossen, sich womöglich nicht töten zu lassen; beide wollten aber, ohne sich verabredet zu haben, anstandshalber ihr scheinbar edles Zögern wenigstens so lange wie möglich verlängern.
»Ich will wetten, daß dieser Schelm, der mit der Hand durch seine langen Haare fährt, als ob es ihm widerstrebte, Reißaus zu nehmen, ebenso wie sein Gefährte in der Lederweste den Befehlen seines Führers niemals mit größerem Eifer gehorcht hat. Aber bei allen Teufeln! Ist das nicht einer von den beiden Schelmen, die im Wald bei der Hacienda auf uns geschossen haben?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Bois-Rosé. »Ich war zu weit von ihnen entfernt, um ihr Gesicht zu erkennen; was liegt auch daran?«
In diesem Augenblick machte Baraja auch ein Zeichen mit der Hand. »Wir können nur den Befehlen unseres Führers gehorchen«, sagte er. »Wir kapitulieren, sosehr sich auch unser Stolz dagegen sträubt.«
»Die Geschichte ist voll von Kapitulationen«, fügte Oroche hinzu, »und ich wüßte nicht, daß man sich dadurch entehrt hätte, wenn man sich dem Feind ergibt, sobald das Los der Waffen gegen die eine Partei entschieden hat. Wir sagen also Euch, Don Fabian, und Euren beiden Freunden ergebenst Lebewohl.«
Ohne den Anschein zu haben, als bemerkten sie den verächtlichen Blick, den ihnen Diaz zuschleuderte, schwenkten die beiden würdigen Männer mit der einen Hand ihren Hut, wandten mit der anderen ihre Pferde und entfernten sich, als Pepe seine Büchse mit unheimlichem Geräusch auf die Plattform stieß.
»Con mil rayos!« rief der frühere Grenzsoldat mit furchterregender Stimme. »Lautet denn unser Vertrag, daß ihr euch mit Waffen und Gepäck zurückziehen sollt?«
»So haben wir es verstanden!« rief Oroche. »Wenn es anders gemeint ist, wollt ihr dann vielleicht herabkommen und unsere Waffen in Empfang nehmen?«
»Werft sie in den See dort unten, und macht euch davon!« antwortete Pepe.
»So sei es!« antwortete Baraja, der seine Büchse mit einer Hand ergriff, als ob er sie fortwerfen wollte, sie jedoch schnell an die Schulter brachte und auf den Gipfel der Anhöhe Feuer gab.
»Seht ihr?« rief Pepe mit spöttischer Miene, ohne nur eine Bewegung zu machen, als auch Oroche Anstalten machte, dem Beispiel seines Gefährten zu folgen.
Der Gambusino jedoch verlor seine Zeit nicht mit Zielen, sondern spornte sein Tier heftig dem Pferd Barajas nach, das eben zur Seite gesprungen war, und beide verschwanden hinter dem Felsenwall, der sich auf der einen Seite des Val d`Or erhob.
»Das ist deine Schuld, Bois-Rosé! Du bist zu großmütig, und wir werden nun diese beiden Schelme früher oder später aus ihrer Festung vertreiben müssen. Ach, hätte ich doch nur auf mich gehört!«
Der Kanadier zuckte mit den Schultern und murmelte einige Worte von Gesindel und trauriger Rache, als plötzlich Don Estévan einen verzweifelten Entschluß zu fassen schien.
»Bücke dich, um Gottes willen, Fabian!« rief Bois-Rosé. »Der Schelm will Feuer geben!«
»Vor dem Mörder meiner Mutter niemals!« sagte Fabian und blieb aufrecht stehen.
Aber rasch wie der Gedanke senkte sich der Arm des Kanadiers schwer auf seine Schulter und ließ ihn aufs Knie niedersinken.
Don Estévan suchte vergebens ein Ziel für sein doppelläufiges Gewehr. Man sah außer der furchtbaren, auf ihn gerichteten Büchse Bois-Rosés niemand mehr auf der Plattform, obgleich der Jäger, den Befehlen Fabians gehorsam, den Kampf nicht dadurch beenden wollte, daß er den Mann vom Pferd schoß, den sein Sohn lebendig haben wollte.
Diaz beschloß diese Lage der Dinge, von der er nur das Resultat sah, den schrecklichen Beweggrund aber nicht ahnte, zu nützen. Er schwang sich mit ebensoviel Mut als Verstand und Gewandtheit hinter Don Estévan, der seinem Rat gemäß an seiner Seite geblieben war, auf die Kruppe. Der unerschrockene Parteigänger schlang seine Arme um den Reiter, den der Stoß erschüttert hatte, ergriff die Zügel des Pferdes, ließ es rasch sich bäumen und umwenden und entfloh, indem er mit seinem Leib wie mit einem Schild den Führer deckte, den er mit Gefahr seines Lebens retten wollte.
Während Fabian und Pepe, von gleicher Leidenschaft getrieben, sich auf die Gefahr hin, ihre Glieder
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