Der Waldläufer
erschollen war.
»Pah,« unterbrach endlich Einer die Stille, »wer braucht sich da zu fürchten! Der Jaguar greift keinen Menschen an, außer wenn er verwundet wird. Nicht einmal an ein Pferd wagt er sich, sondern packt nur höchstens ein Füllen an, welches sich mit den Hufen nicht zu wehren versteht.«
Der Sprecher wollte mehr sich selbst als den Andern Muth einflößen.
»Kennst Du den Jaguar, Baraja?« frug der Diener, welchen Arechiza vorhin Benito genannt hatte.
»Ich habe allerdings noch keinen gesehen.«
»So mußt Du schweigen! Ich sage Dir, der Jaguar springt auf das kräftigste Pferd, reitet es müde und reißt ihm dann die Gurgel aus. Ich habe ihn öfters gesehen und, so lange ich Vaquero war, die besten meiner Pferde durch ihn eingebüßt.«
Das Brüllen ließ sich wieder vernehmen und zwar lauter und näher.
»Nehmt Eure Waffen zur Hand!« gebot Don Estevan.
»Das ist unnütz, Sennor,« entgegnete Benito. »Laßt uns lieber das Feuer vergrößern; das ist das beste Mittel, ihn fern zu halten. Und seht nach den Pferden, ob sie fest angebunden sind, sonst reißen sie sich los und gehen durch.«
Er warf einige Aeste in die Flamme, während Baraja die Pferde sorgfältiger befestigte. Die Thiere kannten die Größe der Gefahr und zitterten am ganzen Körper. –
»So, jetzt ist es beinahe so hell wie am Tage, und die Bestie wird es nicht wagen, diesen Lichtkreis zu überschreiten. Indessen, wenn sie vom Durst geplagt wird, so muß ich sagen – –«
»Was denn?« fiel Baraja ängstlich ein.
»Dann scheut er weder Feuer noch Flamme. Das Gescheidteste ist, ihm dann aus dem Wege zu gehen. Diese Thiere sind immer mehr vom Durste als vom Hunger geplagt.«
»Und wenn sie getrunken haben?«
»Hm, dann bekommen sie gewöhnlich Appetit zum Essen. Das ist ja auch ganz natürlich, wie mir scheint.«
»Allerdings. Aber was frißt er dann?«
»Hm, was er bekommt, Pferde, anderes Fleisch, vielleicht auch Menschen, wenn – – –«
»Wenn –?« frug der furchtsame Baraja.
»Wenn er schon Menschenfleisch gekostet hat; dann muß ich Euch sagen, daß diese Thiere eine sehr feine Zunge haben und den Menschen jeder andern Mahlzeit vorziehen, wenn sie einmal gesehen haben, wie er schmeckt.«
»Das ist nicht sehr beruhigend!« versicherte Cuchillo.
»Warum nicht?« frug Benito, welcher sich vorgenommen zu haben schien, seine Kameraden so viel wie möglich zu ängstigen.
»Nun, wen wird er sich da wohl unter uns herausholen?«
»Weiß nicht! Wir sind sieben Personen; an einer hat er wohl genug, und die andern sechs sind dann gerettet, es sei denn, daß – – –«
»Daß – –« drängte Baraja; »so sagt doch in drei Teufels Namen Alles!«
»Ich wollte sagen, es sei denn, daß er sein Weibchen bei sich habe, in welchem Falle – – doch, warum soll ich Euch quälen!«
»Heraus damit!« gebot Cuchillo. »Man muß doch wenigstens wissen, woran man ist.«
»In welchem Falle er sich verpflichtet fühlen würde, gegen seine Ehefrau so galant zu sein, daß er sich einen Zweiten von uns für sie holen müßte.«
»Santa Maria, so wollte ich daß dieser Tiger noch ein Junggeselle wäre!«
Ein dumpfes Gebrumme ließ sich vernehmen, und da – ja wirklich, da antwortete auf der andern Seite ein zweites Brüllen.
»Er ist verheirathet!« rief Cuchillo. »Es werden nur Fünf von uns übrig bleiben!«
»Unter denen ich mich ganz sicher befinden werde,« meinte Benito. »Ich bin alt, und der Tiger ist kein Freund von magerem und sehnigem Fleische. Aber, horcht!«
Weit vor ihnen erscholl ein kurzer, vollkräftiger Laut, den Benito ebenso gut kannte wie die Stimme des Jaguars.
»Was war das?«
»Ein Löwe, ein Puma!«
»Alle Wetter, da ist ja die ganze Hölle gegen uns losgelassen!« raisonirte Baraja. »Ich wollte, ich wäre überall, nur nicht an diesem verteufelten la Poza! Was ist zu thun, mein guter Benito?«
»Macht Euch so dünn wie möglich, damit Euch das Viehzeug für ganz entsetzlich mager hält!«
Auch Don Estevan schien jetzt Besorgniß zu hegen; er rückte näher an die Flamme und nahm das Gewehr zur Hand.
In diesem Augenblicke ertönten rasche Schritte, und wie aus der Erde gewachsen standen zwei Männer am Feuer, die wie die Nachkömmlinge eines bis auf sie ausgestorbenen Hünengeschlechtes erschienen. Der Eine von ihnen war ein Riese, und dennoch überragte ihn der Andere um eine volle Kopfeshöhe.
»
Good evening,
Mesch’schurs!« grüßte der letztere. »Wollt Ihr nicht so gut
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