Der Waldläufer
haben!«
»Gern, Donna Rosarita!«
Er überzeugte sich noch einmal von der Festigkeit der Lasso’s, mit denen die Gefangenen gefesselt waren, und sah dann zu, wie die Tochter des Haziendero die verschiedenen Eßwaaren, welche der letztere seiner weiten Satteltasche entnahm, zu einem leckern und in der Wildniß ungewöhnlichen Mahle zusammensetzte. Wie er so dastand, auf die Büchse gelehnt, in der vollen Jugendkraft und männlichen Schönheit, bekleidet mit der malerischen Tracht des Pferdebändigers, war es gar nicht zu verwundern, daß der Blick des Mädchens öfters und länger auf ihm ruhte, als sie selbst beabsichtigte.
Auch er konnte das Auge kaum von dem lieblichen Wesen lassen, welches hier in der Nähe von zwei so furchtbaren Männern, aber unter seinem und dem Schutze ihres Vaters, mit einer Anmuth waltete, als befinde es sich in der Umgebung der gewohnten, sichern Häuslichkeit. Er war auf der Hazienda del Venado nicht unbekannt, sondern öfters schon dort gewesen, da Don Augustin eine selbst in diesen Gegenden seltene Gastfreundlichkeit übte. Er wußte, daß sie der »Stern von Sonora« genannt wurde, fühlte sich glücklich, ihr einen nicht ganz gewöhnlichen Dienst geleistet zu haben, und sah mit einem bisher noch nicht gekannten Entzücken, daß ihre schönen, strahlenden Augen so oft zu ihm herüberblickten.
»Kommt, Tiburcio, und nehmt an unserem Mahle theil!« forderte ihn der Haziendero auf. »Ohne Euch hätten wir es sicher nicht halten können.«
»Wie kommt es, Sennor Augustin, daß Ihr nicht um der Donna willen eine solche Gefahr vermieden habt?«
»Ich mußte hinüber nach der Hazienda del Emenda, und da Rosarita dort eine Freundin hat, ließ sie nicht nach, bis ich ihr erlaubte, mitzugehen. Ich konnte den Ueberfall nicht vermuthen, denn wir haben diesen Weg schon sehr oft gemacht und find dabei in keinerlei Fährlichkeit gekommen.«
»Dann erlaubt mir, Euch für ähnliche Fälle einen guten Rath zu geben!«
»Welchen?«
»Als der Schuß vorhin fiel, bliebt Ihr mitten auf der Lichtung und am Feuer halten und botet mit Euren hell erleuchteten Gestalten jeder feindlichen Büchse ein sicheres und bequemes Ziel. Ihr hättet Euch sofort mit einem raschen Sprunge hinter die Sträucher werfen sollen.«
»Ihr habt Recht, Tiburcio. Ein Haziendero ist zu wenig Savannero, um in solchen Augenblicken gleich das Richtige zu treffen.«
Als das Essen beendet war, steckten sich die Männer die unvermeidlichen Cigaritto’s an, und der junge Rastreador begann, von den Thaten des »großen Adlers« und des »zündenden Blitzes« zu erzählen. Rosarita lauschte mit Aufmerksamkeit seiner wohltönenden Stimme und konnte, als er geendet hatte, nicht umhin auszurufen:
»Wäre ich kein Mädchen, ich möchte nichts anderes werden, als so ein Jäger, dessen Namen an jedem Lagerfeuer erklingt. Von Euch wird man wohl auch erzählen, Tiburcio!«
Er sah ihr mit aufleuchtendem Blicke in die Augen.
»Ich hoffe es. Die Büchse des Mestizen wird mir einen Namen machen!«
»Ist sie wirklich so ausgezeichnet?«
»Paßt auf!«
Er nahm das Gewehr, welches geladen war, zog einen dünnen Schierlingstannenzweig aus der Flamme und wandte sich an einen der Vaquero’s.
»Geht zweihundert Schritte fort und steckt den Zweig in die Erde; ich werde mit meiner Kugel ihn gerade unter der brennenden Stelle entzweischießen!«
»Das ist unmöglich!« meinte der Haziendero.
»Tiburcio antwortete nicht, aber wenige Augenblicke später krachte der Schuß, und der Zweig wurde an der bezeichneten Stelle auseinandergerissen.«
»So! Das bringt man nicht mit jeder Büchse fertig. Jetzt aber legt Euch schlafen; ich werde die erste Wache übernehmen.«
»Und ich die zweite, jeder eine Stunde lang,« fiel Don Augustin ein.
Tiburcio bereitete dem Mädchen ein weiches und bequemes Lager von frischen Sassafraszweigen und durchforschte, als die Ruhenden sich in ihre Decken gewickelt hatten, die Umgebung, ob dieselbe ihnen Sicherheit biete. Dann kehrte er zum Feuer zurück, wo er sich neben den Gefangenen niederließ.
Diese lagen noch immer vollständig bewegungslos am Boden, aber ihre zuweilen sich öffnenden Augen bewiesen, daß auch sie munter seien. Es waren eigentümliche Empfindungen, welche durch seine junge Seele flutheten; er hätte für die Ruhe und Sicherheit Rosarita’s mit tausend Feinden kämpfen können und unterließ es, nach der abgelaufenen Stunde, ihren Vater zu wecken. Keiner der Schläfer erwachte während der
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