Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
nicht mehr bezahlen«, verkündete Kaladin. »Wie viel verdienen Brückenmänner?«
»Zwei Klarmark am Tag«, antwortete Gaz, sah ihn dabei finster an und rieb sich den Hals.
Ein Sklave verdiente die Hälfte: eine Diamantmark. Ein Hungerlohn, aber Kaladin würde ihn brauchen. Er würde ihn auch brauchen, um Gaz bei der Stange zu halten. »Von jetzt an will ich meinen Lohn ausbezahlt bekommen«, sagte Kaladin, »aber du darfst jede fünfte Mark für dich behalten.«
In dem schwachen Licht sah ihn Gaz ungläubig an.
»Für deine Bemühungen«, meinte Kaladin.
»Für welche Bemühungen?«
Kaladin machte wieder einen Schritt auf ihn zu. »Dafür, dass du mir bei allen Strafen der Verdammnis aus dem Weg gehst. Verstanden?«
Gaz nickte erneut. Kaladin ging davon. Er hasste es, für Bestechungen Geld zu verschwenden, aber Gaz brauchte eine dauerhafte, immer wiederkehrende Erinnerung daran, warum er Kaladin nicht umbringen lassen sollte. Jede fünfte Mark – das war zwar nicht viel, aber für einen Mann, der es wagte, mitten in einem Großsturm ins Freie zu gehen und seine Kugeln zu schützen, mochte es durchaus reichen.
Kaladin ging zur kleinen Baracke von Brücke Vier zurück und zog die dicke Holztür auf. Drinnen kauerten die Männer noch genauso, wie er sie vorhin verlassen hatte. Aber etwas hatte sich doch verändert. Hatten sie schon immer so armselig ausgesehen?
Ja, das hatten sie. Kaladin war es, der sich verändert hatte. Er verspürte ein seltsames Gefühl der Verzerrung – als hätte er es sich erlaubt, die letzten neun Monate wenigstens teilweise zu vergessen. Er schaute in die Vergangenheit zurück und betrachtete den Mann, der er damals gewesen war. Den Mann, der noch gekämpft hatte – der noch dazu gut gekämpft hatte.
Zu diesem Mann konnte er nicht mehr werden – er konnte die Narben nicht auslöschen –, aber er konnte von diesem Mann lernen, so wie ein neuer Gruppenführer von den siegreichen Generälen der Vergangenheit lernte. Kaladin der Sturmgesegnete war zwar tot, aber Kaladin der Brückenmann war vom selben Geblüt. Ein Abkömmling mit vielen Möglichkeiten.
Kaladin ging zu der ersten zusammengekauerten Gestalt hinüber. Der Mann schlief nicht – wer konnte schließlich auch während eines Großsturms schlafen? Als sich Kaladin neben ihn kniete, zuckte der Mann zusammen.
»Wie heißt du?«, fragte Kaladin, während Syl abstieg und das Gesicht des Mannes betrachtete. Er konnte sie nicht sehen.
Der Mann war schon älter, hatte hängende Wangen, braune Augen und kurz geschorenes Haar mit weißen Strähnen. Sein Bart war ebenfalls kurz – und er trug kein Sklavenzeichen.
»Dein Name?«, wiederholte Kaladin mit fester Stimme.
»Geh weg«, sagte der Mann und rollte sich zur Seite.
Kaladin zögerte zunächst, dann aber beugte er sich vor und sagte mit leiser Stimme: »Mein Freund, entweder du nennst mir deinen Namen, oder ich belästige dich immer weiter. Wenn du dich weigerst, werde ich dich draußen im Sturm so lange an den Beinen über die Kluft hängen, bis du ihn mir sagst.«
Der Mann sah über die Schulter. Kaladin nickte langsam und hielt dem Blick des Mannes stand.
»Teft«, sagte der Mann schließlich. »Mein Name lautet Teft.«
»Das war doch gar nicht so schwer«, bemerkte Kaladin und streckte die Hand aus. »Ich bin Kaladin. Dein Brückenführer. «
Der Mann zögerte und ergriff schließlich Kaladins Hand. Dabei runzelte er verwirrt die Stirn. Kaladin erinnerte sich undeutlich an ihn. Er war schon seit einer Weile in der Mannschaft,
mindestens ein paar Wochen. Davor hatte er in einer anderen Brückenmannschaft gedient. Eine der Strafen für Übertretungen der Lagerregeln war die Überstellung an Brücke Vier.
»Ruh dich aus«, sagte Kaladin und ließ Tefts Hand los. »Morgen wird ein harter Tag.«
»Woher weißt du das?«, fragte Teft und rieb sich das bärtige Kinn.
»Wir sind schließlich Brückenmänner«, erwiderte Kaladin und erhob sich. » Jeder Tag ist hart.«
Teft zögerte und lächelte dann schwach. »Bei Kelek, das ist wahr.«
Kaladin ließ ihn hinter sich und ging an der Reihe der zusammengekauerten Gestalten vorbei. Er besuchte jeden einzelnen Mann, schmeichelte oder drohte so lange, bis er alle Namen erfahren hatte. Zunächst traf er stets auf Widerstand. Es war, als wären ihre Namen das Letzte, was ihnen noch gehörte, und das wollten sie nicht so einfach preisgeben, auch wenn sie überrascht und sogar ermutigt schienen, dass sich jemand für sie
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