Der Weg des Feuers
Wüstenpolizei deine Nachricht findet. Versuche, einen Nomaden zu kaufen, und versprich ihm eine hohe Belohnung. Vielleicht kommt er dann nach Sichern, um mich in Kenntnis zu setzen. Wenn du dabei an einen treuen Anhänger des Propheten gerätst, bist du allerdings ein toter Mann.«
Iker fühlte sich entmutigt.
»Es gibt also keinen sicheren Weg?«
»Nein, mein Junge.«
»Das heißt, ich kann gleichzeitig Erfolg haben und scheitern
– den Propheten finden, Euch aber nicht von seinem Aufenthaltsort unterrichten können!«
»So ist es. Willst du nun immer noch das Unmögliche versuchen?«
»Ja.«
»Wir essen jetzt etwas; ich tue so, als wäre das Verhör noch im Gange. Danach kommst du nicht ins Gefängnis, sondern direkt in den Käfig. Von diesem Augenblick an gibt es kein Zurück mehr.«
»Eine Frage noch, General, vertraut Ihr Sobek dem Beschützer?«
Nesmontu war empört. »Ich vertraue ihm wie mir selbst! Was soll diese Frage?«
»Er mag mich nicht besonders und…«
»Genug, davon will ich nichts hören! Sobek ist die Unbescholtenheit in Person und würde jederzeit sein Leben für den König geben. Dass er dir misstraut, finde ich nur zu verständlich. Nur durch deine Taten kannst du seine Achtung gewinnen. Und was die Nachrichten betrifft, die wir ihm übermitteln wollen, so überbringt er sie keinem anderen als dem Pharao. Sobek verabscheut die Ränkeschmiede und Schmeichler am Hof, und damit hat er tausendmal Recht.«
Während Iker ein saftiges Kalbskotelett verspeiste und einen ausgezeichneten Rotwein trank, wurde ihm allmählich bewusst, wie verrückt er war. Ihm standen so viele mögliche Zufälle und Unwägbarkeiten im Weg, dass sein Vorhaben eigentlich wirklich nicht gelingen konnte.
8
Der Käfig stand auf einem hölzernen Schlitten, der von zwei Ochsen durch Sichern gezogen und so zur Schau gestellt wurde. Iker musste aufrecht darin stehen, weshalb er sich an die Gitterstäbe klammerte und den Kanaanitern ins Auge sah, die Zeugen dieses traurigen Schauspiels wurden. Der Körper des jungen Mannes war über und über mit Blutergüssen bedeckt, die man geschickt aufgemalt hatte, zum Beweis dafür, wie gnadenlos die Folter gewesen sein musste. Nachdem in den fraglichen Stadtvierteln keine
Sicherheitskräfte aufgetaucht waren, hatte der Unglückliche offenbar geschwiegen.
Die Soldaten, die diese Zurschaustellung durchführten, hatten es nicht eilig. Jeder Einwohner von Sichern sollte zur Kenntnis nehmen, dass den Gefangenen die harte Strafe für Widerständler erwartete.
»Das Schlimmste steht dem armen Jungen noch bevor«, murmelte ein Greis. »Jetzt kommt er zur Zwangsarbeit, und das wird er nicht lange durchhalten.«
Bedrücktes Schweigen begleitete den Weg des Käfigs durch die Stadt. Manch einer hätte nur zu gern den Trupp angegriffen und den Gefangenen befreit, aber aus Angst vor schrecklichen Strafen wagte es keiner.
Iker hoffte auf ein Zeichen, das auf einen Befreiungsversuch hindeuten würde – eine Geste oder einen vielsagenden Blick. Nichts.
Die Zuschauer fühlten sich ohnmächtig und blieben tatenlos. Am Ende seiner Irrfahrt durch die Stadt hatte der Verurteilte Anspruch auf einen Schluck Wasser und ein Stück trockenes Brot.
Dann verließen die Soldaten Sichern und machten sich auf den Weg Richtung Norden.
Die beiden Anhänger des Propheten waren sich über die weitere Vorgehensweise uneins.
»Befehl ist Befehl«, sagte der Ängstliche. »Wir müssen diesen Spitzel töten.«
»Wozu sollten wir so viele Gefahren auf uns nehmen?«, beharrte der Blondschopf, »das werden die Ägypter für uns erledigen!«
»Du weißt nicht alles.«
»Dann sag es mir!«
»Der Prophet hat mir erklärt, dass dieser Iker mit den Ägyptern unter einer Decke steckt.«
»Das ist aber äußerst unwahrscheinlich!«
»Nach allen Hinweisen, die wir aus Memphis bekommen haben, besteht darüber kein Zweifel. Iker soll sogar ein Königlicher Sohn sein, den Sesostris geschickt hat, sich bei uns einzuschleichen.«
»Er wurde aber gefoltert und in den Käfig gesperrt!«
»Das ist bestimmt nur ein falsches Spiel, das Nesmontu sich ausgedacht hat. Damit will er die Bevölkerung glauben machen, dass Iker ein Opfer im Dienste unserer Sache ist.«
Der andere war entsetzt, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Als einziger Spitzel, den Nesmontu in einen Stamm der Kanaaniter hatte einschleusen können, war er dem Propheten bisher noch nicht begegnet und fragte sich, ob es ihn überhaupt gab.
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