Der Weg des Feuers
Prozessionsweg, der außerhalb der großen Feste – die für lange Zeit nicht mehr, wenn überhaupt je wieder gefeiert werden sollten – verlassen war. Zahlreiche Kapellen säumten diesen Weg, der zur Treppe des Osiris führte. Diese Kapellen beherbergten Statuen und Stelen, die der Seele ihrer Besitzer zur Unsterblichkeit des Auferstandenen verhelfen sollten. Nur einigen wenigen Auserwählten war es nach ihrer Einweihung gestattet, als Hofstaat von Osiris im Diesseits und im Jenseits weiterzuleben.
Friedliche Stille lag über diesen Bauwerken, die im Unsichtbaren verankert waren. Kein Weltlicher und auch niemand von den Sicherheitskräften durfte die Ruhe und den Frieden dieses Ortes stören. Und hier war Bega ein teuflischer Gedanke in den Sinn gekommen: Er wollte kleine, geweihte und deshalb unsagbar wertvolle Stelen aus Abydos herausschmuggeln und für viel Gold an die Meistbietenden verkaufen, die überglücklich sein würden, weil sie so ihren Anteil an der Unsterblichkeit erwerben konnten. Doch die Pläne des ständigen Priesters gingen noch weiter: Indem er seinen Helfershelfern ein Siegel gegeben und ihnen den Spruch verraten hatte, der in die Stelen graviert wurde, hatte er es ihnen ermöglicht, Fälschungen herzustellen, die sie ohne Schwierigkeiten verkaufen konnten.
Bega kannte keine Gewissensbisse mehr. Einerseits konnte er sich nun endlich nach all den Jahren der Entsagung im Dienste von Osiris bereichern; andererseits schwächte er den Zauber von Abydos, indem er einige heilige Steine daraus raubte, mochten sie auch noch so klein sein.
»Auf diesem Friedhof fühle ich mich gar nicht wohl«, gestand Gergu, »es kommt mir ständig so vor, als würden mich die Toten beobachten.«
»Und wenn es so wäre, was könnten sie dir tun? Weil man Angst vor ihnen hat, unternimmt man nichts. Mit diesem moralischen Verbot habe ich gebrochen. Glaub mir, Gergu, diese leblosen Wesen, die wieder in den Zustand von Mineralien zurückversetzt wurden, haben keinen Einfluss. Wir dagegen sind äußerst lebendig.«
Trotz Begas gutem Zureden hatte Gergu es ziemlich eilig, die Terrasse des Großen Gottes zu verlassen. Konnte es nicht doch sein, dass Osiris über seine Schutzbefohlenen wachte und über Diebe wie sie in Zorn geraten würde?
»Wie gehen wir weiter vor?«
»Wie immer«, antwortete Bega. »Ich habe eine wunderbare kleine Stele ausgesucht, die zwischen zwanzig anderen hinten in einer Kapelle vergraben und vergessen ist. Komm mit, dann gehen wir sie holen.«
Obwohl die Denkmäler mit den kleinen Vorgärten keine Mumien beherbergten, kam sich Gergu wie ein Grabschänder vor. Er wickelte den mit Hieroglyphen bedeckten Stein in ein weißes Tuch und trug ihn in die Wüste. Der Schweiß lief ihm dabei über die Stirn, und zwar nicht wegen der Anstrengung, sondern weil er sich vor einer möglichen Verteidigung dieses magischen Kunstwerks fürchtete. Dann vergrub er es, so schnell er konnte, im Sand.
»Rechnest du für den weiteren Verlauf mit irgendwelchen Schwierigkeiten?«, wollte Bega wissen.
»Nein, bestimmt nicht«, versprach Gergu, »ich habe den Wachmann bestochen, der heute Nacht Dienst hat. Er wird die Stele ausgraben und dem Kapitän eines Schiffs übergeben, das nach Memphis fährt.«
»Ich verlasse mich auf dich, Gergu. Mach nur keinen Fehler, auch nicht den kleinsten.«
»Wie sollte ich, mich würde es ja genauso treffen!«
»Und lass dich nicht vom schnöden Gewinn blenden. Das Ziel, das der Prophet anstrebt, ist viel erhabener. Denk daran!«
»Wenn wir zu hoch anlegen, laufen wir dann nicht Gefahr, das Ziel zu verfehlen?«
Plötzlich schmerzte Gergu die Innenfläche seiner rechten Hand, und er sah, dass sich der winzige Seth-Kopf darin rot färbte.
»Komm niemals auf den Gedanken, den Propheten zu verraten«, beschwor ihn Bega, »sonst tötet er dich.«
7
Der Kanaaniter, der Iker besonders feindlich gesonnen war, führte das dritte Verhör. Nach den ersten beiden waren die Kerkermeister noch zu keiner Entscheidung gelangt. Der Schreiber konnte sich einfach nicht an den Gestank und den Dreck gewöhnen, der hier herrschte. Sein Abenteuer hatte schlecht begonnen und drohte ein vorzeitiges Ende zu nehmen.
»Gestehe endlich, dass du ein Spitzel im Dienste des Pharaos bist«, verlangte der Kanaaniter.
»Wieso sollte ich etwas sagen, nachdem du deine Meinung doch nicht änderst?«
»Wie lautet dein wahrer Auftrag?«
»Den kann mir nur der Prophet anvertrauen.«
»Weißt du, wo er sich
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