Der Weg des Feuers
ich doch nicht ohne Grund!«
»Was sagt er denn?«
»Ich weiß es nicht mehr wörtlich, aber… Ist es etwa ein Verbrechen, den Pharao zu verachten?«
»Hat dich dieser Eril um deine Hilfe gebeten oder dir irgendeinen Auftrag vorgeschlagen?«
Die Archivarstochter sah ihn fragend an. »Nein, nein, nichts dergleichen.«
»Dann vergiss doch einfach diese unangenehmen
Erinnerungen«, empfahl ihr der Träger des Königlichen Siegels, »und genieße den schönen Augenblick. Oder möchtest du etwa schon schlafen…?«
»O nein!«, rief sie und bot sich ihm begehrenswert dar.
Sekari betrachtete jeden Morgen Ikers Schreibwerkzeug, die kostbare Erinnerung an seinen Freund. Wie gern hätte er es ihm nach seiner Rückkehr aus Asien zurückgegeben! Ihn aufgeben zu müssen, trieb ihn schier zur Verzweiflung, aber der Pharao hatte ihm untersagt, ins syrische Palästina zu reisen und dort Nachforschungen anzustellen.
Sekari wollte sich nicht mit der Leere abfinden, die Ikers Fehlen hinterließ. Nahm er sie erst hin, würde er Ikers Tod besiegeln und jede Hoffnung aufgeben. Insgeheim glaubte Sekari aber nicht an den Tod des Königlichen Sohnes. Vielleicht war er in Gefangenschaft, vielleicht auch verletzt, aber gewiss lebendig.
Sekari hatte auf seine Weise die Sicherheitsvorkehrungen überprüft, die Sobek zum Schutz des Pharaos getroffen hatte, und dabei keine größere Lücke entdecken können. Trotzdem wunderte ihn das Verhalten des obersten Sicherheitsbeamten, der ganz augenscheinlich über den Tod des Königlichen Sohnes sehr zufrieden war.
War der Verräter, der sich am Hof versteckte, etwa Sobek selbst? Warum verabscheute er Iker so? Das konnte eigentlich nur den einen Grund haben, dass Iker seine wahre Rolle erkannt hatte. Hatte Sobek nicht die besten Möglichkeiten, einem Sicherheitsmann zu befehlen, den jungen Schreiber aus dem Weg zu räumen?
Die Antwort auf diese schrecklichen Fragen schien nahe liegend.
Zu nahe liegend.
Deshalb brauchte Sekari handfeste Beweise, ehe er sich an den König wenden konnte. Und solange er diese Beweise nicht hatte, war da der Pharao nicht in größter Gefahr? Etwas beruhigte ihn allerdings: Er wusste, dass die ausgesuchten Männer, die für den persönlichen Schutz von Sesostris zuständig waren, den Pharao zutiefst verehrten. Doch falls Sobek Iker ins Verderben geschickt haben sollte, würde er dafür teuer bezahlen.
Medes schätzte seine Arbeit als Sekretär des Königlichen Rates und war immer als Erster im Arbeitszimmer und als Letzter auf dem Heimweg. Es störte ihn nicht, dass er viel arbeiten musste – im Gegenteil. Er hatte die glückliche Veranlagung, den Inhalt schwieriger Vorgänge sehr schnell erfassen und sich das Wesentliche davon dank seines ausgezeichneten Gedächtnisses merken zu können. Weil er in der Lage war, zahlreiche Verabredungen einzuhalten, ohne zu ermüden, verlangte Medes seinen Angestellten derart viel Arbeit ab, dass einige nicht mithalten konnten. Deshalb war er gezwungen, jeden Monat vier bis fünf neue Schreiber einzustellen, die er gnadenlos auf die Probe stellte. Nur die wenigsten bestanden diese Prüfung. Auf diese Weise hatte er immer eine sehr gute Schreibertruppe.
Weder der König noch der Wesir konnten ihm auch nur das Geringste vorwerfen.
Gleichzeitig aber verfügte Medes über ein zweites Netz von Mitarbeitern, die ihm bedingungslos ergeben waren. Als Schreiber, Postboten und Seeleute versorgten sie ihn mit den neuesten Nachrichten und übermittelten seine Anweisungen in alle Himmelsrichtungen. Für den Aufstand, den der Prophet plante, stellten sie eine entscheidende Armee dar. Jeder seiner neuen Handlanger erhielt eine ganz bestimmte Aufgabe und war niemandem außer Medes Rechenschaft schuldig. Zwischen seinen verschiedenen Mitarbeitern gab es keinerlei Verbindung, und natürlich ahnte keiner die wahren Ziele, die Medes verfolgte.
Gerade wollte der Sekretär des Königlichen Rates einem gewissenhaften Schreiber, den er bereits mehrere Monate beschäftigte, besondere Aufgaben erteilen, als ihn Gergu zu sprechen wünschte.
»Irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Der Libanese will Euch unbedingt sofort sehen.«
»Am helllichten Tag? Das kommt nicht in Frage!«
»Er geht auf dem Markt spazieren. Es ist sehr dringend und offenbar ernst.«
Dieses Vorgehen war ebenso ungewöhnlich wie
beunruhigend.
Trotzdem gelang es Medes, seine Unruhe zu verbergen und den Libanesen ausfindig zu machen. In dem Trubel auf dem Marktplatz fielen die
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