Der Weg des Feuers
genau kennen zu lernen und ein Höchstmaß
an Informationen zu erhalten. Denn der Wein und das gute Essen lösten die Zunge seiner Gäste.
An diesem Abend empfing Sehotep den Oberarchivar mit dessen Frau und Tochter und seinen drei wichtigsten Mitarbeitern nebst Gattin. Wie üblich entwickelte sich ein angeregtes Gespräch zu den unterschiedlichsten Fragen – trotz der bedrohlichen Lage, in der sich Ägypten befand. Immer wieder gelang es dem Träger des Königlichen Siegels, einen entspannten und festlichen Rahmen zu schaffen, der zu Vertraulichkeiten anregte.
Seine Gäste an diesem Tag wirkten nun wirklich nicht wie gefährliche Verdächtige. Sie gingen ihrem Beruf nach, verhielten sich ruhig, regten keine Neuerungen an und begaben sich bei der kleinsten Schwierigkeit in die Verantwortung einer übergeordneten Behörde. Sicher hätten sie sich ihren Untergebenen gegenüber gern als kleine Willkürherrscher aufgeführt, doch das wusste der Wesir zu verhindern. Gegen Ende des Empfangs kam die Tochter des Archivars, die etwas einfältig und geschwätzig, aber recht hübsch war, auf Sehotep zu.
»Es heißt, Eure Terrasse sei die schönste von ganz Memphis… Ich würde sie zu gern einmal kennen lernen!«
»Was wird Euer Vater dazu sagen?«
»Ich bin etwas müde«, antwortete der Angesprochene.
»Meine Frau und ich würden uns gern zurückziehen. Wenn Ihr unserer Tochter diesen Wunsch erfüllen würdet, wäre das eine große Ehre für uns.«
Sehotep tat so, als ahnte er die Falle nicht. Bereits einige Würdenträger hatten ihre Töchter in der Hoffnung auf eine Heirat in seine Arme getrieben. Dieser Gedanke war dem Träger des Königlichen Siegels widerwärtig. Deshalb traf er jeweils die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen, damit das betreffende Mädchen nicht etwa schwanger wurde und nur die Erinnerung an eine schöne Liebesnacht mit ihm behielt. Begeistert bewunderte die Tochter des Archivars den schönen Blick auf die Stadt.
»Was für eine wunderbare Stadt! Aber Ihr seid auch wunderbar, Sehotep.«
Mit einer Zärtlichkeit, derer sich kein gebildeter Mann hätte erwehren können, lehnte sie ganz sanft ihren Kopf an die Schulter des Würdenträgers, der daraufhin seine leichte Perücke abnahm und ihr übers Haar strich. »Bitte lasst mir etwas Zeit.«
»Wollt Ihr denn die Hauptstadt noch lange bewundern?«
»Nein – eigentlich nicht. Zeig mir dein Zimmer, ja?« Er zog sie langsam aus und stellte schnell fest, dass es der Tochter weder an Sinnlichkeit noch an Erfahrung fehlte. Ihre Liebesspiele bereiteten ihnen beiden gleich viel Vergnügen. Am Ende dieses fröhlichen Geplänkels dachte sich Sehotep, dass sie einmal eine fürchterlich Besitz ergreifende und launische Gattin abgeben würde.
»Machst du dir keine Sorgen wegen der Zukunft?«, fragte ihn die junge Frau.
»Nein, ein großer Pharao herrscht über Ägypten. Er wird das Böse besiegen.«
»Diese Meinung teilen aber nicht alle.«
»Hält dein Vater etwa nichts von Sesostris?«
»O doch, mein Vater schätzt Sesostris, wie er auch jeden anderen Herrn schätzen würde, solange er ihn gut bezahlt und nicht mit Arbeit überhäuft! Nein, aber mein letzter Verehrer ist nicht deiner Meinung.«
»Und wer ist das?«
»Er heißt Eril, ein Fremder, der kürzlich zum Oberhaupt der öffentlichen Schreiber ernannt wurde, und der vor Ehrgeiz fast platzt. Mit seinem lächerlichen kleinen Bart, seiner zuckersüßen Stimme und seinem umgänglichen Verhalten gibt er sich als einer der ehrbarsten Männer weit und breit. Dabei ist er so gefährlich wie eine Klapperschlange! Eril hat nichts anderes im Sinn, als üble Machenschaften anzuzetteln und den Ruf seiner Kollegen zu beschmutzen. Bestechlich und verderbt wie er ist, bietet er seine Dienste stets dem Meistbietenden an.«
»Hat er dir denn irgendetwas getan?«
»Diese Ratte wollte mich heiraten, kannst du dir das vorstellen?! Und mein Vater, dieser Feigling, hatte nichts dagegen! Angesichts meiner eindeutigen Absage hat er allerdings nicht länger darauf bestanden. Wenn ich mir die Hände von diesem Eril, die wahrscheinlich eine glitschige Schleimspur hinterlassen, auf meiner Haut vorstellen soll, schüttelt es mich! Erst als ich ihm eine Ohrfeige verpasst habe, hat er begriffen, dass ich ihm nie gehören werde. Weil es ihm nicht reicht, sein Gift zu verspritzen, redet er auch noch schlecht über den Pharao.«
Damit hatte sie Sehoteps Neugier geweckt.
»Bist du dir da ganz sicher?«
»So etwas behaupte
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