Der Weg des Feuers
halten ihn für einen schrecklichen Schatten, einen bösen Geist, dem man gehorchen muss, weil man sonst fürchterlich bestraft wird. Und der unglaubliche Plan dieses Propheten sieht folgendermaßen aus: Er will der uneingeschränkte Herrscher über die Feinde von Maat und Ägypten werden, indem er sich in ihre Seelen einschleicht. Er muss nicht einmal vor ihnen erscheinen, um sie zu überzeugen. Ich sage es noch einmal: Syrisch-Palästina ist nichts anderes als eine Falle. Und der Prophet wird seine Schützlinge dort einfach im Stich lassen, um anderswo verheerende Unruhe zu stiften. Und dieses
›Anderswo‹ hat in Memphis angefangen.«
»Wir haben die Sicherheit der Hauptstadt im Griff«, behauptete Sobek.
»Wollen wir’s hoffen«, sagte Sehotep. »Und was ist mit den anderen Städten?«
»Königliche Erlasse sollen die Stadtvorsteher in höchste Wachsamkeit versetzen«, versprach der Wesir. »Da es nicht reicht, die Armee an bestimmten Orten aufzustellen, kann die Sicherheit nur durch Truppen im gesamten Reich gewährleistet werden. Eine äußerst schwierige Entscheidung also: Entweder besetzt Nesmontu ganz Syrisch-Palästina, oder er sorgt für den Schutz der Zwei Länder.«
»Durch seinen Bericht hat uns der Königliche Sohn die Antwort auf diese Frage geliefert«, schnitt der Pharao ihnen das Wort ab. »Ein Punkt bleibt aber noch zu klären: Was ist mit Sobeks Verhalten?«
»Ich glaube, ich habe richtig gehandelt, als ich einen Verdächtigen einsperren ließ, Majestät.«
»Hältst du es für ungerecht, dass du ins Gefängnis gekommen bist?«, fragte der Pharao Iker.
»Nein, Majestät. Ich verstehe die Entscheidung des obersten Sicherheitsbeamten. Jetzt sollte er sich aber auf die Tatsachen beschränken und sich von seinen Vorurteilen frei machen. Einen der Pläne des Propheten haben wir soeben unschädlich gemacht, aber unser Sieg ist noch in weiter Ferne. Und wir können überhaupt nur dann siegen, wenn wir uns einig sind.«
»An die Arbeit«, befahl Sesostris, »ein Plan zum Schutz der Zwei Länder soll mir noch morgen vorgelegt werden.«
Medes war wie vor den Kopf geschlagen.
Iker lebte! Wie hatte es ihm nur gelingen können, Kanaanitern und Syrern zu entkommen? Seine Vorladung vor den Hohen Rat hieß, dass ihm schwere Anschuldigungen drohten. Sollte seine Aussage nicht hieb-und stichfest sein, würde es der Schreiber sehr bereuen, nach Ägypten zurückgekehrt zu sein. Nach dem Unglück von Memphis waren die Strafen sehr hart geworden.
Die Dauer der Versammlung gab Grund zur Zuversicht. Sobek mochte Iker nicht, und er war imstande, den Königlichen Rat hinter sich zu vereinen und für ein hartes Urteil zu sorgen.
Endlich verließ Senânkh den Sitzungssaal.
»Falls deine Verwaltung wirklich zu Höchstleistungen fähig sein sollte, mein lieber Medes, hast du jetzt Gelegenheit, das zu beweisen. Ein königlicher Erlass, amtliche Botschaften, vertrauliche Briefe an die örtlichen Behörden, Befehlsschreiben an die Festungen… Und alles natürlich so schnell wie möglich!«
»Rechnet auf mich, Großer Schatzmeister. Worum geht es denn?«
»Ägypten vor den Aufständischen in Sicherheit zu bringen.«
24
Das Frühstück mit Sesostris im Palastgarten einnehmen zu dürfen, war ein Vorrecht, das Iker in vollen Zügen genoss. Jeder Würdenträger träumte von solch einer Auszeichnung, und seit dem Schreck über die unverhoffte und unerwünschte Rückkehr des Königlichen Sohns verging der gesamte Hof sowieso fast vor Eifersucht.
Der König betrachtete das Spiel der Sonnenstrahlen in den Baumwipfeln.
Schließlich fasste sich Iker ein Herz und brach das Schweigen.
»Hat mich der Goldene Kreis von Abydos gereinigt und wiederbelebt, Majestät?«
»Ägypten ist nicht von dieser Welt. Unter der Leitung von Maat verhält es sich nach einem Plan, der aus der Urzeit stammt. Unser Land setzt ihn hier auf der Erde in die Wirklichkeit um. Das Unsichtbare hat sich sein Königreich erwählt, und wir verehren es als unseren kostbarsten Schatz. Wenn Osiris aufersteht, ist das Auge vollkommen. Nichts fehlt ihm dann. Und Ägypten sieht und erschafft. Wenn nicht, bleibt das Land blind und unfruchtbar. Und das genau ist die Bedrohung.«
»Können wir dieses verheerende Unglück abwenden?«
»Das hängt ganz von unserer Weisheit und unserem Willen ab. Entweder unterwerfen wir uns der Zeit und der Geschichte
– dann geht das Werk von Osiris verloren; oder aber wir begeben uns zurück zum Ursprung, in die Zeit
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