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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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lauter Panik blieb mir die Luft weg, ich konnte kaum noch atmen in diesem Raum, der immer noch vor Begeisterung schwirrte. Ich musste hier raus.
    »Moni sag Mama bitte, dass ich nach Hause laufen werde. Mir geht es nicht so gut, ich glaube, ich brauche etwas frische Luft und einen Spaziergang.«
    »Bist du krank? Du bist auf einmal so blass. Vielleicht sollten wir dich besser begleiten.« meinte Lian besorgt.
    Ich schüttelte den Kopf und zwang mich zu einem Lächeln. »Nein, danke, das geht schon. Mir ist nur etwas übel, frische Luft wirkt da Wunder. Wir sehen uns morgen in der Schule.«
    Damit sprang ich auf und verließ fast fluchtartig den Raum. Meine Beine trugen mich schnell und ganz ohne mein Zutun Richtung Wald. Ich musste sofort Azriel warnen.

8
    Nero . - Es war wirklich im höchsten Maße faszinierend. Vater hatte zwar mehrfach betont, wie leicht die Menschen zu beeinflussen waren, aber jetzt, wo ich es mit eigenen Augen sah, war ich doch überrascht.
    Schon als ich mit den anderen ausgebildeten Soldaten die Bühne betrat, hingen ihre Blicke an uns, mit großen, leuchteten Augen folgten sie uns durch den Raum und saugten jeden einzelnen unserer Schritte auf. Als dann die ersten Worte der Rede fielen, waren ihre Blicke wie hypnotisiert, und seitdem hatten sich die Menschen nur noch kurzzeitig bewegt, um in einen fanatischen Beifall auszubrechen.
    Ich hatte das Gefühl, dass sie zwar jedes gesagte Wort aufsaugten wie ein Kind seine Muttermilch, aber dass sie gleichzeitig nur die Hälfte verstanden.
    Wie hatte Vater noch vor ein paar Jahren einmal gesagt? »Warum wir sie unsere Kindernennen, liegt doch auf der Hand. Sie können wirklich liebenswert sein, wenn sie gehorsam sind. Aber sie haben auch ihre Trotzphasen, in denen wir ihnen ein ums andere Mal auf die Finger klopfen müssen.«
    Für einen kurzen Moment drehte ich meinen Kopf zur anderen Seite der Bühne und ging die Reihen der anderen Unsterblichen durch. Die meisten der ausdruckslos dreinblickenden Gesichter kannte ich von der Akademie, sie waren mit mir zusammen ausgebildet worden. Eine Beziehung hatte sich zwischen uns allerdings nie entwickelt. Wie auch, wenn man von früh bis spät gedrillt wurde auf eine Art und Weise, die alle selbstständigen Gedanken und Gefühle auslöschen sollte?
    Wieder schweifte mein Blick gedankenverloren über die Zuschauerreihen, als ich auf einmal etwas Merkwürdiges wahrnahm. Ein Mädchen. Sie saß in der ersten Reihe und fiel mir sofort auf. An sich war sie weiß Gott nichts Besonderes. Braune, etwa schulterlange Haare, gewöhnliche Figur und ebenso gewöhnliche Kleidung, wie sie jedes andere Mädchen im Saalauch trug. Nur, dass es bei ihr weniger bemüht aussah.
    Was mir aber auffiel, war, dass sie im Gegensatz zu den anderen weder hypnotisiert noch sonderlich glücklich über das Gesagte schien. In einer Manier, die ich bereits sehr gut kannte, krampfte sich mein Innerstes zusammen, meine Muskeln waren angespannt und meine Sinne geschärft. Es war ein eindeutiges Warnsignal, das mein Körper da aussandte.
    Die Stimme auf der Bühne versiegte, und alle Menschen sprangen von ihren Sitzplätzen und applaudierten heftig, wirkten überwältigt und erfreut. Nur sie nicht. Man konnte sehen, wie sie sich um Fassung bemühte und versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Aber meine geschulten Augen erkannten überdeutlich ihr Entsetzen. Als sie dann schnellen Schrittes vor allen anderen die Halle verließ, war das alarmierende Gefühl in meiner Magengegend nicht mehr zu unterdrücken. Adrenalin begann, wie Gift durch meine Adern zu schießen, und ich spürte einen metallischen Geschmack auf meiner Zunge.
    »Gabriel.« Ich packte meinen unmittelbaren Nachbarn am Arm und er fuhr zu mir herum. »Ich muss einer Sache nachgehen, es wird nicht lange dauern.«
    Er nickte mir zu und ich konnte die Neugier in seinen Augen ablesen. Aber er fragte nicht nach, niemand hier würde so etwas wagen.
    Ich drehte mich auf dem Absatz der schwarzen Schnürstiefel um und lief eilig, aber unauffällig zum Rand der Bühne und verschwand hinter dem roten Samtvorhang. Meine Schritte trugen mich innerhalb weniger Sekunden aus der Hintertür des Saals. Es war bereits dunkel und die eisige Luft zauberte weiße Wölkchen meines Atems in die Luft.
    Von weitem konnte ich sie noch sehen. Das Mädchen lief mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf das Waldstück zu, das direkt vor uns lag. Sie sah aus, als würde sie vor etwas fliehen. Ich griff in meine

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