Der Weg des Unsterblichen
war die Dachspitze unserer Festhalle zu sehen. Normalerweise wurde diese für Sportfeste und große Feiern genutzt, heute ähnelte sie eher einer kleinen Festung, vor derunzählige Autos parkten. Kaum waren wir näher heran gekommen, sah ich auch schon die Männer, die vor der großen Tür standen. Sie trugen Uniformjacken in schwarz und lange schwarze Hosen, die in gleichfarbigen, fast kniehohen Stiefeln steckten. Kerzengerade standen die beiden rechts und links neben dem Eingang, und als wir aus dem Auto stiegen, krallten sich Monjas künstliche Fingernägel auch schon in meinen Arm. »Oh Gott, halt mich fest, ich falle in Ohnmacht! Das sind doch tatsächlich echte Engel.«
»Verdammt, was hast du denn erwartet?«, fauchte ich und befreite meinen Arm aus ihrem Todesgriff, um die Schmerzen wegzureiben. Dann drehte ich mich zu meiner Mutter um. »Moni und ich gehen nach Lian suchen. Treffen wir uns nach der Rede wieder hier am Auto?«
»In Ordnung.« Sie nahm Malus Hand und nickte mir zu. »Wir warten noch auf ein paar Nachbarn. Bis später dann!«
Ich packte Monjas Arm und schleifte sie durch die Tür, die den beiden Engeln trotzdem ein paar unsterblich verliebte Blicke zuwarf.
»Sie sehen sooo gut aus!« Ja, das Mädchen schmolz förmlich dahin. Ich hatte eigentlich große Lust, ihr an den Kopf zu werfen, dass sie sich zusammen reißen sollte. Aber zunächst musste ich mich größeren Problemen widmen, damit sich mein Magen endlich etwas entspannen konnte.
Wie immer stand am anderen Ende der großen Halle die Bühne mit dem gebohnertem Dielenboden und dem roten Samtvorhang zu beiden Seiten. Genau in der Mitte der Bühne prangte ein kleines Pult, auf dem ein schwarzes Mikro stand. Der sonst leere Zwischenraum davor war voller dunkler Holzstühle mit roten Polstern, die meisten davon waren bereits besetzt.
Ich entdeckte Lian vorn in der ersten Reihe und steuerte direkt auf ihn zu. »Hey Lian, geht es dir besser?«
Etwas verwirrt sah er mich an, und ich biss mir auf die Unterlippe, als ich die dunkle Beule über seinem rechten Auge sah. Die ging eindeutig auf mein Konto.
Er lächelte unsicher. »Ja, danke der Nachfrage und auch nochmal danke, dass ihr mich im Wald gefunden und zum Arzt gebracht habt.«
»Keine Ursache.« Innerlich seufzte ich erleichtert auf. Es ging ihm gut, und scheinbar erinnerte er sich wirklich nicht mehr an sein kleines Zusammentreffen mit Azriel.
»Wir hatten aber echt Angst um dich, als wir dich so gefunden haben!«, platzte Monja heraus. »Noé hat geheult wie ein Baby!«
Ich spürte, wie ich knallrot anlief, als Lian mich überrascht aber nicht unerfreut ansah. »Wirklich?«
»Naja, ich habe einen Schuss gehört und dich da liegen sehen. Ist doch klar, was ich da gedacht habe, oder?«, meinte ich nur verlegen. Schließlich konnte ich ihm ja nicht sagen, weswegen ich in diesem Moment wirklich geweint hatte.
»Tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe.«
Monja schüttelte den Kopf und stemmte streng die Fäuste in die Seiten. »Was hast du da im Wald überhaupt gemacht mit dem Revolver?Kannst du dich vielleicht an irgendetwas erinnern, was passiert ist?«
Ängstlich sah ich Lian an, als er den Kopf senkte und nachdachte. »Ich habe mir Sorgen um euch gemacht, als ihr in der Schule tuscheln gegangen seid und konnte mir schon denken, dass ihr irgendetwas Dummes vorhabt.« Er warf Monja einen kurzen, missbilligenden Blick zu. »Es gab in letzter Zeit viele Gerüchte über Unsterbliche, die sich auf den Hügeln im Wald herumtreiben, aber auch Dämonen sollen gesichtet worden sein. Also bin ich euch gefolgt und habe zur Sicherheit die Waffe meines Vaters mitgenommen. Was danach passiert ist weiß ich nicht mehr. Ich glaube aber dass ich selbst den Schuss abgegeben habe, weil mich irgendetwas angegriffen hat.«
Monja und ich zuckten zeitgleich zusammen.
»Glaubst du, dass es ein Dämon war?«, flüsterte meine beste Freundin ängstlich und sofort trafen uns besorgte Blicke von den Umsitzenden, die unser Gespräch scheinbar mitangehört hatten.
Lians Blick verdunkelte sich und ich hatte kurz Angst, dass sich in seinem Kopf eine Erinnerung lösen könnte. Aber er zuckte nur mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber ich glaube eher, dass es irgendein wildes Tier gewesen ist. Wenn es ein Dämon gewesen wäre, würde ich jetzt wohl nicht mehr leben.«
Monja schüttelte sich in einer Mischung aus Ekel und Angst. »Ein wildes Tier beruhigt mich jetzt nicht wirklich.«
»Bald musst
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