Der Weg des Unsterblichen
kam mir fast die Galle hoch. Mit ihm klar kommen? Ihn verschonen!? Niemals! Aber wenn ich ihr Vertrauen wollte, dann war es jetzt an der Zeit, zu lügen. Ich schluckte und öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als mir jemand zuvor kam: »Oh ja, kleine Geflügelbraut! Hättest du die Güte, den armen Dämon bitte in Ruhe zu lassen?«
Ich stand so abrupt auf, dass der Drehstuhl bis zum anderen Ende des Raumes rollte. Mir war vollkommen schleierhaft, warum ich es nicht einmal bemerkt hatte, dass der Dämon mir so nah gekommen war. Jetzt saß er lässig auf dem Fensterbrett, seine Hände in die Hosentaschen seiner schwarzen Shorts gesteckt und wie immer sein hämisches Grinsen im Gesicht.
»Azriel!«, entrüstete sich Noé. »Bist du noch ganz dicht? Du kannst hier doch nicht so einfach reinplatzen! Wenn meine Mutter dich sieht, flippt sie vollkommen aus!«
Der Dämon ließ mich nicht für eine Sekunde aus den Augen. »Noé, ich glaube, du hast ein Rattenproblem.«
»Du widerliche Kreatur, wie kannst du es wagen…«, grollte ich ihm entgegen. Alle guten Vorsätze waren auf einmal wie weggeblasen.
»Wie ICH es wagen kann?« Seine Stimme gewann etwas von der Schärfe, die er damals im Wald gezeigt hatte. »Ich hatte dich gewarnt, dich von ihr fern zu halten, du halbes Hähnchen. Und ich dachte, dass du dich nach meinen Worten wieder in dein geliebtes Assi-trum zurückziehst. Ach, das habe ganz vergessen da lassen sie euch ja nicht mehr rein!«
»Asytrum!«, fauchte ich zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen hindurch und konnte wieder einmal nicht fassen, wie viel der Dämon wusste. »Hüte dich davor, diesen Namen in den Dreck zu ziehen!«
»Wieso, du dürftest diesen Ort doch gar nicht kennen, oder? Ist dir euer kleines Exil noch nicht richtig ans Herz gewachsen?«
»Du mieser, kleiner … «
Wir machten beide einen Schritt aufeinander zu, und Noé sprang auf, um zwischen uns zu treten. »Wovon zum Teufel redet ihr beiden? Gebt endlich Ruhe, sonst steht meine Mutter gleich auf der Matte.«, zischte sie. Aus ihren Augen sprach vollkommene Verwirrung, aber auch ein Hauch Wut. »Außerdem – seht euch doch mal an!« Sie warf erst Azriel und dann mir einen feurigen Blick zu. »Ihr seid hier. Wir sind alle drei wirklich vollkommen verschieden, und doch stehen wir im gleichen Raum und keiner von uns ist tot. Können wir uns nicht einfach vertragen?«
»NOCH ist keiner tot.«, presste ich hart zwischen meinen Zähnen hervor. »Wenn ich könnte…«
Azriel lachte auf. »Genau, wenn du könntest ! Aber du darfst es gerne noch einmal versuchen, wenn es dir so unter den Fingernägeln juckt…Diesmal stopfe ich dir endgültig das Maul.«
»Bitte, macht es nicht kaputt!«, schrie Noé auf und wir drehten uns beide überrascht zu ihr um. Aus unerfindlichen Gründen sah sie unglaublichtraurig aus. »Bitte. Das hier hat sich mein Vater immer gewünscht. Wir sitzen doch alle im selben Boot! Wir haben uns alle gegenseitig als Geheimnis, aus welchem Grund auch immer wir es behalten.« Ihr Blick traf mich wie eine Faust, und ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. »Warum können wir nicht einfach Freunde sein?«
»Freunde. Pass auf, dass du dieses Wort nicht an den falschen Leuten abnutzt.«, spottete Azriel und verschwand mit einem missbilligenden Laut in der Luft. Doch ich hatte die plötzliche Unsicherheit in seinen Augen noch sehen können, bevor das Nichts ihn verschluckte.
Noé anscheinend nicht. Sie ließ die Schultern hängen und warf einen sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster. »Dieser arrogante Idiot!« Sie gab ein frustriertes Seufzen von sich. »Wie kann man nur so einen Stock im Arsch haben und sich so dermaßen gegen neue Dinge sträuben? Ich kann vollkommen verstehen, dass du ihn nicht leiden kannst.«
Noch immer starrte ich unentwegt das Fensterbrett an, auf dem er gerade gesessen hatte.
Was war nur los mit diesem Dämon? Erst drohte er, mich auf die grausamste Art und Weise zu töten, wenn ich ihr auch nur zu nahe kam, und jetzt war er so abweisend und kühl zu dem Mädchen, dass ihm offensichtlich alles andere als egal war?
»Tut mir leid, dass ich euch mit so einem Nonsens zugequatscht habe.« Mit einem verlegenen Blick, der auf den gräulichen Teppichboden gerichtet war, ließ sie sich wieder auf die Kante ihres Bettes fallen. »Ich würde mir so sehr wünschen, dass es eines Tages…Gott, vergiss es, das klingt sogar in meinem Ohren ziemlich dämlich.«
Ich sah sie an, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher