Der Weg in Die Schatten
denke, du bist immer noch der Junge, der sein Brot mit seinen Freunden geteilt hat, als er selbst hungerte.«
»Ich habe immer das größte Stück für mich behalten«, flüsterte er.
»Dann haben wir die Dinge unterschiedlich in Erinnerung«, sagte Elene. Sie stieß einen tiefen Atemzug aus und wischte ihre Tränen weg. »Bist du... bist du hier, um zu arbeiten?«
Es war ein Schlag in den Solarplexus. »Heute Abend wird ein Mörder zu dem Fest kommen, um jemanden zu töten und etwas zu stehlen. Ich brauche eine Einladung, um hineinzukommen.«
»Was wirst du tun?«, fragte sie.
Eigentlich hatte Kylar kaum darüber nachgedacht. »Ich werde ihn töten«, antwortete er. Und es war die Wahrheit. Hu Gibbet war ein Wahnsinniger, der anfing, Bettler zu töten, wenn zu viel Zeit zwischen zwei Aufträgen verging. Er brauchte das Morden, wie Trinker Wein brauchten. Wenn Kylar kam und den silbernen Ka’kari stahl, würde Hu Gibbet sich auf seine Fährte setzen. Hu war ein voll ausgebildeter Blutjunge und galt als ebenso starker Kämpfer wie Durzo. Kylars einzige Chance, ihn zu töten, würde darin bestehen, ihn zu überraschen. Heute Nacht.
Elene sah ihn immer noch nicht an. »Wenn du ein Blutjunge bist, hast du andere Möglichkeiten, ins Haus zu kommen. Du musst Fälscher kennen. Kylar Stern muss Verbindungen haben. Vielleicht wäre eine Einladung von mir der einfachste Weg hinein, aber das ist nicht der Grund, warum du gekommen bist. Du bist hergekommen, um dir das Haus anzusehen, nicht wahr?«
Sein Schweigen war Antwort genug.
»All diese Jahre«, sagte Elene und wandte ihm den Rücken zu, »dachte ich, Azoth wäre tot. Und vielleicht ist er das auch. Vielleicht habe ich geholfen, ihn zu töten. Es tut mir leid, Kylar. Ich würde mein Leben geben, um dir zu helfen. Aber ich kann dir nicht geben, was mir nicht gehört. Meine Loyalität und meine Ehre gehören dem Gott. Ich kann das Vertrauen von Mylady nicht missbrauchen. Ich fürchte, ich werde dich bitten müssen zu gehen.«
Es war ein sanfterer Bannspruch, als er ihn verdient hatte, aber dennoch ein Bann. Kylar zog die Schultern vor, bog die Finger zu arthritischen Krallen und ging. Am Tor drehte er sich einmal um, aber Elene sah ihm nicht einmal nach.
37
Wie alle guten Hinterhalte war dieser zu einer Zeit und an einem Ort gelegt, wo sie am wenigsten damit rechneten. Solon und Regnus und seine Männer waren die Berge hinuntergeritten, über die zentralen Ebenen und befanden sich nur noch zwei Meilen von Cenarias nördlichem Rand entfernt.
Herzog Gyre und seine Männer waren zwischen zwei breiten Reisfeldern auf der erhöhten Straße, als sie auf einen Mann trafen, der ein Wagenpferd führte. Auf den Feldern arbeiteten mehrere Bauern, aber sie waren schlicht gekleidet und hatten die Hosenbeine bis zu den Knien hochgekrempelt, und sie besaßen offensichtlich weder Rüstung noch Waffen. Der Mann zog sein altes Pferd auf die Seite und betrachtete die gepanzerten Reiter mit großer Aufmerksamkeit.
Solon hätte es natürlich schon früher bemerken müssen. Bauern trugen auf den Feldern keine langen Ärmel. Aber erst als er nur noch zwanzig Schritte von dem Fuhrmann entfernt war, sah er es. Der Vürdmeister ließ die Zügel des Pferdes fallen und legte die Handgelenke aneinander, woraufhin grünes Feuer seine Vir hinabtoste und jede Hand füllte. Er schlug die Unterarme zusammen, und Hexerfeuer schoss daraus hervor.
Das Hexerfeuer traf den Wachposten links von Solon und
ging mitten durch ihn hindurch. Die Magie war dazu geschaffen, in Schichten zu schmelzen wie ein Eiszapfen, während sie durch jeden Mann zuckte. Sie hatte die Größe eines Männerkopfes, während sie durch den ersten Mann hindurchging, dann die Größe einer Männerfaust, als sie den zweiten traf, und schließlich die Größe eines Männerdaumens, als sie den dritten durchschlug. Binnen eines Augenblicks waren alle drei tot; Flammen tosten über ihrem Fleisch und brannten, von dem Blut gespeist, das aus den Männern herausquoll, als sei es Öl.
Eine Sekunde später traf Hexerfeuer die Wachen von allen Seiten, als je ein Vürdmeister von jeder Seite der Straße Tod in ihre Mitte schleuderte. Weitere drei Männer fielen.
Damit blieben nur noch Solon, Herzog Gyre und zwei Wachen. Es gereichte den Männern zur Ehre, dass sie überhaupt etwas unternahmen, aber Solon wusste, dass ihr Untergang besiegelt war. Ein Wachposten ritt auf der rechten Seite. Herzog Gyre und der andere Wachposten ritten auf
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