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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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um ihm das Brot zu schneiden, und ihr Mieder klaffte auf...
    Kylar riss den Blick von ihr los und versuchte, seinen Puls zu verlangsamen. Sie bemerkte seine scharfe Bewegung und sah ihn an. Er schaute ihr in die Augen. Ihr Blick war fragend, offen. Er würde diese Frau bitten, ihren Arbeitgeber zu verraten?
    Ein Gewirr von Gefühlen, die er in eine dunkle Ecke seiner Seele gestoßen hatte, wallte auf und brach sich Bahn. Kylar stieß ein ersticktes Schluchzen aus. Dann blinzelte er heftig. Reiß dich zusammen.

    Elene legte die Arme um ihn, ohne auf seine schmutzigen Kleider und seinen Gestank zu achten. Sie sagte nichts, fragte nichts, berührte ihn nur. Ein Kribbeln durchschoss ihn, und seine Gefühle wogten abermals an die Oberfläche.
    »Weißt du, wer ich bin?«, fragte Kylar. Diesmal benutzte er seine Bettlerstimme nicht.
    Elene Cromwyll sah ihn seltsam und verständnislos an. Er wollte in seiner gebeugten Haltung bleiben, wollte sich vor diesen sanften Augen verstecken, aber er konnte es nicht. Er drückte den Rücken durch, stand auf und streckte die Finger.
    »Kylar?«, fragte sie. »Du bist es! Was tust du hier? Haben Mags und Ilena dich geschickt? Oh mein Gott, was haben sie dir gesagt?« Ihre Wangen waren gerötet, und in ihren Augen leuchteten Hoffnung und Verlegenheit. Es war nicht gerecht, dass eine Frau so schön sein konnte. Wusste sie, was sie mit ihm machte?
    Ihr Gesicht war das Gesicht eines Mädchens, das auf die beste Art und Weise von einem Jungen überrascht worden war. Oh, Götter. Sie dachte, er sei hier, um sie zu Mags’ Feier einzuladen. Elenes Erwartungen würden von der Realität weggefegt werden wie ein Kleinkind, über das die alitaerische Kavallerie hinwegstürmte.
    »Vergiss Kylar«, sagte er, obwohl es ihm wehtat. »Sieh mich an und sag mir, wen du siehst.«
    »Einen alten Mann?«, fragte sie. »Es ist eine sehr gute Verkleidung, aber dies ist kein Kostümfest.« Sie errötete abermals.
    »Sieh mich an, Puppenmädchen.« Seine Stimme war erstickt. Sie hielt inne und schaute ihm gebannt in die Augen. Dann berührte sie sein Gesicht, und ihre Augen weiteten sich. »Azoth«, wisperte sie. Sie legte eine Hand auf den Tisch, um sich festzuhalten. »Azoth!« Sie warf sich ihm so schnell entgegen, dass er
beinahe versuchte, ihren Angriff zu blockieren. Dann drückte sie ihn fest an sich. Er stand stocksteif da, und sein Geist weigerte sich lange Sekunden zu verstehen: Sie umarmte ihn.
    Er konnte sich nicht dazu zwingen, sich zu bewegen, konnte nicht denken; er fühlte nur. Die glatte Haut ihrer Wange strich über seine stoppelige, unrasierte. Ihr Duft erfüllte seine Nase mit dem sauberen Geruch von Jugend und Versprechen. Sie umarmte ihn heftig, und ihre starken, harten Arme und der feste Bauch vermischten sich mit der puren, weiblichen Weichheit ihrer Brust.
    Zaghaft hob er die Hände und berührte ihren Rücken. Er schmeckte Salz auf seinen Lippen. Eine Träne, seine Träne. Seine Brust zuckte unkontrolliert, und plötzlich schluchzte er. Er packte sie, und sie drückte ihn noch fester an sich. Er spürte ihr Weinen, abgehackte Atemzüge, die ihren schlanken Körper erbeben ließen. Und einen Moment lang gab es nichts mehr auf der Welt als diese eine Umarmung, Wiedersehen, Glück, Akzeptanz.
    »Azoth, ich hatte gehört, du wärst tot«, sagte Elene allzu bald.
    Du wirst immer allein sein. Kylar erstarrte. Wenn Tränen auf halbem Wege eine Wange hinunter hätten innehalten können, hätten seine es getan.
    Er ließ Elene langsam los und trat zurück. Ihre Augen waren rot, aber immer noch leuchtend, während sie sich die Tränen mit einem Taschentuch abtupfte. Ein plötzliches Begehren, sie in die Arme zu reißen und zu küssen, brach wie eine Welle über ihn herein. Er blinzelte und regte sich nicht, bis die Realität ihn wieder im Griff hatte. Er öffnete den Mund, konnte nichts sagen, konnte es nicht ruinieren. Er versuchte es noch einmal, bereit, seine Lügen vor ihr auszubreiten, doch er konnte es nicht. Beziehungen
sind Seile. Liebe ist eine Schlinge. Durzo hat es mir gesagt. Er hat mir eine Chance gegeben. Ich hätte ein Pfeilmacher sein können, ein Kräuterkundiger. Ich habe dies gewählt.
    »Mir wurde befohlen, dich niemals wiederzusehen. Von meinem Meister.« Seine Zunge war bleiern. »Durzo Blint.«
    Er konnte erkennen, dass selbst Elene von Durzo Blint gehört hatte. Ihre Augen wurden schmal vor Verwirrung. Er konnte sehen, wie sie es sich im Geiste zusammenreimte: Wenn

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