Der Weg in Die Schatten
Gerüchten nach häufiger für die nächtlichen Liebschaften des Königs benutzt. Wenn Lady Jadwin tatsächlich die Mätresse des Königs war, hatte das Anwesen seines leichten Zugangs wegen die perfekte Lage. Außerdem hielt der König den Herzog mit diplomatischen Missionen in allen Winkeln Midcyrus beschäftigt, Missionen, von denen alle außer dem Herzog wussten, dass sie nichts als ein Vorwand waren, um ihn aus dem Weg zu haben.
Die Villa selbst stand auf einem kleinen, zentralen Hügel, der trotz der vier Meter hohen, dornenbewehrten Mauer, die den gesamten Besitz umschloss, einen Blick auf den Fluss bot.
Mit zitternder Hand - die er wie eine Lähmung erscheinen ließ - klopfte Kylar an den Dienstboteneingang.
»Ja?« Die Tür wurde geöffnet, und eine junge Frau, die sich die Hände an einer Schürze abwischte, sah Kylar erwartungsvoll an.
Sie war eine schöne Frau, vielleicht siebzehn Jahre alt, mit einer Stundenglasfigur, um die sie selbst in dem Wollgewand einer Dienerin alle Mädchen von Momma K beneidet hätten. Die Narben waren immer noch da, ein X auf ihrer Wange, ein X quer über ihre vollen Lippen und eine Schlaufe vom Winkel ihres Mundes bis zur Außenseite ihres Auges. Die Narbe verlieh ihr ein ständiges kleines Grinsen, aber die Freundlichkeit ihres Mundes linderte die Grausamkeit der Narbe.
Kylar erinnerte sich daran, wie ihr Auge ausgesehen hatte,
grausam angeschwollen. Er hatte Angst gehabt, dass sie damit niemals mehr würde sehen können. Aber ihre Augen - alle beide - waren klar und von einem leuchtenden Braun, und sie strahlten vor Güte und Glück. Puppenmädchens Nase war zu Brei geschlagen worden, und die von Elene war nicht vollkommen gerade, aber sie sah auch nicht schlimm aus. Sie hatte noch alle Zähne - natürlich, begriff er, war sie damals noch jung genug gewesen, dass sie nur ihre Milchzähne verloren hatte.
»Komm herein, Großvater«, sagte sie leise. »Ich werde etwas zu essen für dich finden.« Sie bot ihm den Arm und schien nicht gekränkt zu sein von seinen neugierigen Blicken. Sie führte ihn in einen kleinen Nebenraum mit einem schmalen Tisch für die Diener, die sich in Hörweite der Küche aufhalten mussten. Gelassen erklärte sie einer um zehn Jahre älteren Frau, dass sie für eine Weile ihre Arbeit übernehmen müsse, während Elene sich um ihren Gast kümmerte. Aus ihrem Tonfall und der Reaktion der älteren Frau entnahm Kylar, dass Elene hier allgemeine Bewunderung genoss und dass sie sich ständig um Bettler kümmerte.
»Wie geht es dir, Großvater? Soll ich eine Salbe für deine Hände holen? Ich weiß, es ist schmerzhaft an diesen kühlen Tagen.«
Was hatte er getan, um das zu verdienen? Er war als übelste Sorte Bettler erschienen, und sie überschüttete ihn mit Freundlichkeit. Er hatte nichts, was er ihr geben konnte, und doch behandelte sie ihn wie ein menschliches Wesen. Dies war die Frau, die wegen seiner Dummheit und Arroganz, wegen seines Unvermögens beinahe gestorben wäre. Das einzig Hässliche in ihrem Leben verdankte sie Kylar.
Er hatte geglaubt, er habe seine Schuldgefühle zwei Jahre zuvor hinter sich gelassen, als Momma K ihm die simple Wahrheit
gesagt hatte, dass er Elene vor Schlimmerem als Narben bewahrt habe. Aber als er diese Narben nun aus der Nähe betrachtete, drohte er, direkt zurück in diese Hölle zu stürzen.
Sie legte eine mit frischer, heißer Bratensoße bestrichene Brotkruste auf den Tisch und begann sie in kleinere Stücke zu schneiden. »Möchtest du dich hierhersetzen? Wir werden es dir ein wenig leichter machen, das Brot zu kauen, ja?«, sagte sie laut, wie es Menschen, die mit alten Leuten arbeiten, zu tun lernen. Sie lächelte, und die Narben zupften an ihren vollen Lippen.
Nein. Er hatte sie hierhergebracht, zu diesen Menschen, die sie liebten, wo sie es sich leisten konnte, eine Brotkruste zu teilen. Elene hatte ihre eigenen Entscheidungen getroffen, um zu werden, wer sie war, aber er hatte ihr diese Entscheidungen möglich gemacht. Wenn es etwas Gutes gab, das er getan hatte, dann war es dies. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Als er die Augen wieder öffnete und sie ansah, ohne dass Schuldgefühle seinen Blick verdunkelten, war sie atemberaubend. Elenes Haar war von glänzendem Gold, und abgesehen von ihren Narben war ihre Haut makellos, ihre Augen waren groß und leuchtend, ihre Wangenknochen hoch, ihre Lippen voll, ihre Zähne weiß, ihr Hals schlank und ihre Figur zauberhaft. Sie beugte sich vor,
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