Der Weg in Die Schatten
Gewicht; er war zu fett, um sich lange festzuhalten, zu fett, um mit einer Hand loszulassen und Azoth mit der anderen zu packen.
Mit einer schnellen Bewegung griff Azoth nach seinem Ohr und schnitt es ab. Ratte schrie und ließ los.
Er fiel auf den Stein, der daraufhin endgültig versank. Das Letzte, was Azoth von ihm sah, war Rattes verängstigtes Gesicht, als er unter Wasser gezogen wurde; dann wurde selbst das verdeckt von den Händen des Jungen, die wild umhertasteten, nach etwas suchten, irgendetwas - und nichts fanden.
Azoth wartete und wartete, dann taumelte er davon.
Die Pickel waren weg. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen, um die wenigen Narben zu verdecken, die sie hinterlassen hatten. Der Körperbau stimmte, obwohl er seit seiner Zeit im Labyrinth abgenommen hatte, aber dieses grob abgeschnittene Ohr und seine Augen - Götter! Wie ist es möglich, dass mir diese toten Augen nicht aufgefallen sind? -, die Augen waren dieselben.
»Ratte«, wisperte Kylar. Sein Plan zersprang in tausend Scherben. Sein Herz hörte auf zu schlagen. Er fühlte sich wieder wie ein Kind, das in der Schlange stand und darauf wartete, dass Ratte ihn schlug, zu feige, um etwas anderes zu tun, als zu weinen.
»Ich bin tot, richtig? Komisch, dasselbe hat man mir von dir erzählt.« Roth schüttelte den Kopf, aber seine Stimme war leise.
Dies war nur für ihn bestimmt. »Neph hat mir das andere Ohr weggebrannt, um mich für das zu bestrafen, was du getan hast. Du hast mich drei Jahre gekostet, Azoth. Drei Jahre, bevor ich wieder zum Oberhaupt der Gilde wurde. Ich habe lange den Atem angehalten - Götter, es schien mir eine Ewigkeit zu sein. Eine Ewigkeit, die ich gebraucht habe, um den Knoten zu lösen, eine Ewigkeit, während der ich mein Leben in dieses schmutzige Wasser blutete, bis Neph mich endlich herauszog. Er hat das Ganze beobachtet und gesagt, er habe erwogen, mich sterben zu lassen. Neph musste einen meiner Großen töten - du erinnerst dich an Roth, nicht wahr? - und ihn an meiner Stelle unter Wasser anbinden, bevor dein Meister kam. Ich musste zu irgendeiner beschissenen Gilde auf der gegenüberliegenden Seite des Labyrinths ziehen und von vorn anfangen. Es ist deine Schuld, dass ich meinen Vater beinahe enttäuscht hätte.« Er zitterte vor Zorn. Dann entblößte er erneut sein geschmolzenes Ohr. »Dies war die geringste meiner Strafen. Und dann bist du bequemerweise ›gestorben‹. Ich habe es nie geglaubt, Azoth. Ich wusste, dass du dort draußen warst und nur auf mich gewartet hast. Glaub mir, wenn ich Zeit hätte, würde ich dich jahrelang foltern, ich würde dich bis an die Grenze menschlicher Leidensfähigkeit treiben und darüber hinaus. Ich würde dich heilen, nur um dir neue Schmerzen zuzufügen.« Er schloss die Augen und senkte abermals die Stimme. »Aber diesen Luxus kann ich mir nicht leisten. Wenn ich dich am Leben lasse, könnte mein Vater andere Pläne für dich ersinnen. Er könnte etwas anderes mit dem Ka’kari tun. Ich habe für diesen Ka’kari bezahlt, und ich habe die Absicht, ihn jetzt gleich zu binden.« Er lächelte grimmig. »Irgendwelche letzten Worte?«
Kylar war nicht mehr konzentriert, war abgelenkt. Furcht und Entsetzen hatten dazu geführt, dass sein Geist sich von dem
Rätsel abgewandt hatte, obwohl nichts so wichtig hätte sein dürfen. Durzo hatte ihn Besseres gelehrt. Furcht musste man sich eingestehen und dann ignorieren. Wo war er gewesen? Verschlinger? Magie? »Scheiße«, sagte er, ohne zu begreifen, dass er laut gesprochen hatte.
Roth zog eine Augenbraue hoch. »Hmm. Langweilig, aber durchaus zutreffend.« Er fasste sein Schwert fester, und seine Schulter drehte sich nach hinten. Die Klinge hob sich. Der Mann würde ihm den Kopf abschlagen. Alles in Kylar schrie nach Hilfe.
Irgendwo unterhalb des Spektrums des menschlichen Gehörs erklang ein Dröhnen, aber Kylar spürte, wie es einem Donnerschlag gleich in seinem Magen brodelte. Alles vor seinen Augen wurde weißblau vor Magie. Er konnte die Magie durch die Luft strömen sehen, so schnell wie ein Pfeil, eine Wand aus Magie.
Die Burg selbst erzitterte, und alle fielen zu Boden. Wohin er auch schaute, sah Kylar die gleichen verblüfften Blicke. Roth lag der Länge nach auf den Stufen, das Schwert noch in der Hand, den Mund geöffnet.
Plötzlich spürte Kylar, dass eine der magischen Fesseln, die ihn hielten, riss. Er blickte auf die anderen hinab und stellte fest, dass die Magie - sie sah aus wie ein blauweißer
Weitere Kostenlose Bücher