Der Weg in Die Schatten
Regen, der im Sturm seitwärts gepeitscht wurde und unsichtbar Mauern und Menschen durchdrang - gegen die Fesseln trommelte und sich um sie herum sammelte. Die Fesseln waren so schwarz wie die Vir der Hexer, und die blaue Magie zischte und sprühte, wo immer sie die schwarze berührte.
Dann umschlang die blaue Magie diejenige der Hexer und raste deren schwarze Fasern entlang wie Feuer durch trockenes Stroh, bis sie die Hexer selbst erreichte.
Drei der Hexer kreischten auf, und Kylars Fesseln verschwanden, während drei lebendige blaue Fackeln den Raum erhellten. Aber Kylars Blick war nach innen gewandt. Der Ka’kari bedeckte ihn wie eine schwarze Haut, und wo auch immer die blaue Magie ihn traf, begann sie zu zittern wie eine Pfütze im Regen und verschwand dann - um den Ka’kari noch machtvoller anschwellen zu lassen.
Der Verschlinger verzehrte auch Magie.
Dann war die magische Schockwelle verebbt.
Es folgte ein winziges Schweigen, dann schrie Roth die Hexer an, die ihre Vir bisher nicht benutzt hatten - die beiden Hexer im Raum, die noch lebten: »Schnappt ihn euch!« Roth riss sein Schwert von den Stufen hoch und schwang es nach Kylars Gesicht.
Unglaublicherweise gehorchten die Hexer sofort. Fesseln schlossen sich um Kylars Arme und Beine. Wo immer die Fesseln Kylar berührten, schwoll der Ka’kari in Reaktion auf seinen Willen an, durchbohrte sie, löste sie von ihm und verschlang sie schließlich.
Kylar warf sich gegen die Fesseln, noch bevor sie sich zur Gänze auflösten. Er durchbrach sie mit der ganzen Kraft seiner Magie, während Roths Schwert nur Zentimeter von seiner Kehle entfernt die Luft durchschnitt.
Er riss an den Resten der Fesseln, wich schwerfällig zurück - seine Füße kamen zuletzt frei und ließen ihn straucheln. In der Luft drehte er sich und warf mit der freien Hand ein Messer.
Ein Soldat ächzte und stürzte zu Boden.
Kylar landete unter der zweiten Treppe flach auf dem Rücken. Der Aufprall raubte ihm den Atem, doch noch während er über den Boden rutschte, bewegte sein Schwert sich bereits. Links und rechts von ihm standen Hochländer, und sein
Schwert blitzte zweimal auf und durchschnitt Stiefel und Knöchel zu beiden Seiten.
Drei Hochländer waren gefallen, aber andere griffen bereits an. Kylar sprang auf die Füße und war - zwar noch atemlos - bereit zum Kampf.
64
Solon versuchte, von der Statue hinunterzuklettern. König Logan Verdrokan war einer der frühesten Könige Cenarias gewesen, vielleicht ein mythischer König, und Solon konnte sich nicht daran erinnern, was er getan hatte, obwohl es etwas Heldenhaftes gewesen sein musste, wenn Regnus Gyre seinen Sohn nach ihm benannt hatte. Und er musste etwas Besonderes gewesen sein, dass man ihm eine Statue von solcher Größe widmete und ihm ein Schwert in die Hand gab, das er trotzig erhoben hielt. Solon hatte die Statue nicht aufgrund ihrer metaphorischen Bedeutung ausgewählt, sondern einfach deshalb, weil er wollte, dass jeder Meister im Garten ihn sah. Jeder Meister im Umkreis von fünfhundert Schritten, der während der wenigen Sekunden, in denen Solon Curoch hatte halten können, Vir benutzt hatte, war tot.
Curoch lag unter ihm auf den Steinen. Feir riss es hoch und wickelte es in eine Decke. Er rief Solon etwas zu, aber Solon konnte die Worte nicht verstehen. Er hatte immer noch das Gefühl, in Flammen zu stehen. Jede Ader seines Körpers vibrierte so heftig, dass es schwer war, Verdrokans steinernes Schwert unter den Fingern auch nur zu spüren. Solon hatte auf den
Schultern des toten Königs gehockt und sich an dem steinernen Schwert festgehalten, Curoch hoch erhoben, als er die Magie losließ. Er verlagerte seinen Griff, seine Beine zitterten, und plötzlich fiel er.
Feir vermochte es nicht ganz, ihn aufzufangen, aber zumindest dämpfte er seinen Sturz.
»Ich kann nicht laufen«, sagte Solon. Sein Gehirn brannte, vor seinen Augen tanzten alle Farben des Regenbogens, und seine Kopfhaut schien in Flammen zu stehen. »Es war unglaublich, Feir. So ein winziger Teil dessen, wozu es imstande ist...«
Feir packte ihn und warf ihn sich über die Schultern, wie ein geringerer Mann vielleicht ein Kind hochheben würde. Er sagte etwas, doch Solon konnte es nicht ganz verstehen. Er sagte es noch einmal.
»Oh, ich habe etwa fünfzig von ihnen erwischt. Zehn sind vielleicht noch übrig«, erklärte Solon. »Einer auf der Ostbrücke.« Er versuchte sich daran zu erinnern, was Dorian ihm erzählt hatte. Etwas
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