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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sich an einer Seite der Manege nieder, die Zelte wurden im Nu aufgebaut, ein Kochtopf über aufgeschichtetem Holz aufgehängt und ein Pfahl aufgestellt, in den indianische Zeichen rot eingekerbt waren. Auch das Viereck, Symbol der vier Weltenden, fehlte nicht. Die Indianer schienen in Ruhe zu lagern, da sprengte der junge Indianer, den Smith und Cate schon kannten, auf einem Grauschimmel herein. Er hing fast am Hals des Pferdes, riß das Tier jetzt vor dem Kriegshäuptling Mattotaupa hoch, sprang ab und meldete in der Dakotasprache:
    »Weiße dringen in unser Land! Sie sind nicht mehr fern!«
    Frauen und Kinder schlugen die Zelte ab, so schnell, daß selbst die Zirkushelfer anerkennend nickten. Der Zug der Frauen bildete sich wieder und zog mit den Indianerkindern aus der Manege ab. Die Krieger machten ihre Waffen bereit und hielten in einer Reihe. Diese Reihe war so aufgestellt, daß die Zuschauer in Loge 7 den Reitern ins Gesicht sehen konnten.
    Cate schaute diese Männer unverwandt an. Die Unterredung des Vaters mit den Indianern hatte all ihre Erinnerungen an den Sommer vor zwei Jahren wachgerufen. Sie suchte unter den Reitern den Mann, mit dem der Vater gesprochen hatte. Aber die Erinnerung an sein Aussehen war zu undeutlich, da der Indianer im Dunkeln von den Stallaternen nur schlecht beleuchtet gewesen war. Sie gab den Vergleich also auf und schaute die Männer nur in Gedanken an ihr schweres Erlebnis vor zwei Jahren an.
    »Vater!« sagte sie plötzlich, aber leise wie ein Hauch, so daß nicht einmal Tante Betty recht aufmerksam wurde. »Das ist er!«
    »Wer, Kind?«
    »Der mich damals schon auf dem Arm hatte und mich wieder hinsetzte, weil ich so schrie.«
    »Welcher?« Die Stimme von Smith bebte auch.
    »Der vierte von der linken Seite her gezählt.«
    »Nicht der fünfte?«
    »Nein, der vierte.«
    »Der fünfte ist der Bruder des Großen Wolf, und mit ihm habe ich gesprochen. Der neben ihm hält, sieht ihm sehr ähnlich. Das muß der Große Wolf selbst sein.«
    »Was habt ihr denn!« sagte Tante Betty tadelnd. »Seid doch ruhig!«
    Smith, der sich zu Cate hingebeugt hatte, richtete die Schultern wieder auf. Er brauchte nichts weiter zu sagen oder zu hören. In seinen Augen waren die Mörder identifiziert.
    Die Musik spielte den Rhythmus schnell rollender Räder, und ein Viergespann zog eine Postkutsche im Galopp in die Manege. Mattotaupa pfiff, und schon waren die Reiter an der Seite des Gefährtes. Vier fielen den Pferden in die Zügel und stoppten die Tiere im vollen Lauf. Zwei drangen von rechts und links in die Kutsche ein. Einer holte den Kutscher vom Bock, diesen jungen großen Kerl mit dem rotblonden Haar. Die blonde Lady schrie laut und herzzerreißend. Der Kutscher wehrte sich mit beachtlicher Gewandtheit und Kraft, ließ sich dann aber, wie die Sachverständigen unter den Zuschauern sofort erkannten, gutwillig fesseln. Er wurde an den Pfahl angebunden, wobei er laut fluchte und schimpfte. Die vollständig echt wirkende Skala seiner Schimpfworte über die verdammten roten Räuber und Banditen versöhnte auch die jungen Sachverständigen auf den Zuschauerbänken wieder vollkommen mit ihm.
    Die Dame fand sich, halbe Ohnmacht gewandt spielend, auf der erhöhten Umrandung der Manege wieder, wo die Sieger sie höflicherweise hingesetzt hatten. Sie saß vor Loge 7.
    »Die Kunstreiterin«, sagte Smith zu Cate, um deren Aufregung zu dämpfen und sie daran zu erinnern, daß dies alles hier nur ein Spiel sei. Aber Tante Betty wurde ärgerlich. »Du bist immer so illusionslos, Samuel.«
    Mattotaupa trat vor den gefangenen Kutscher hin, gebot ihm zu schweigen, worauf der Gefesselte prompt den Mund hielt, und erklärte dann sowohl auf englisch als auch in der Dakotasprache, so daß die Indianertruppe in der Manege und auch die Zuschauer ihn verstehen konnten:
    »Was habt ihr in unseren Jagdgründen zu suchen? Habt ihr uns gefragt, ob ihr sie betreten dürft, habt ihr die heilige Pfeife mit uns geraucht, haben wir einen Vertrag geschlossen?«
    Der Gefangene antwortete nicht.
    »Du schweigst. Ihr seid eingedrungen, ohne uns zu fragen! Ihr habt unser Wild geschossen, ihr habt unser Land genommen. Wir roten Männer wollen nichts als unser Land und unser Recht. Die weißen Männer aber mögen dort bleiben, wo ihr Land liegt und ihr Recht besteht. Wer als Räuber zu uns kommt, wird getötet, wie es Räubern gebührt!«
    Einige unter den Zuschauern wurden unruhig. Eine Gruppe junger Leute pfiff mißbilligend. Die

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