Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
steinerner Ruhe.
    »So war es nun auch wieder nicht gemeint. Wer soll sich mit euch Rothäuten auskennen! Also kurz und gut: Was verlangst du?«
    »Munition.«
    »Da sieh einer an! Munition. Munition! Wenn es weiter nichts ist … Was für ein Kaliber? Aber halt, laß uns doch lieber erst die Beratungs- und Friedenspfeife rauchen. Sonst ist man vor eurer Hinterlist nicht sicher. Friedenspfeife ­ einverstanden?«
    »Wir rauchen zusammen.«
    »Das erste vernünftige Wort, was ich aus deinem Munde höre, Häuptling der Indianer. Die Munition wirst du nicht benutzen, um uns zu killen?«
    »Nein.«
    »Ehrenwort?«
    »Mein Wort ist mein Wort. Ich kenne keine Lüge.«
    »O du Unschuld, das Lügen wirst du auch noch lernen. Aber wenn du es bis heute wirklich noch nicht verstehst, um so besser. Also bitte, rauchen wir!«
    Mattotaupa stieg ab und.behielt die Weißen dabei sehr vorsichtig im Auge. Harka blieb zu Pferd und ließ sich den Zügel des Fuchses geben, um auch diesen zu halten.
    Der Mann, der sich als »Bill« vorgestellt hatte, setzte sich, und Mattotaupa ließ sich ihm gegenüber nieder. Das feierliche Zeremoniell hatte in den Augen des Indianers wenig Bedeutung, da es nicht mit der hierfür bestimmten heiligen Pfeife ausgeführt wurde. Bill dachte nicht einmal daran, nach Mattotaupas Namen zu fragen, und redete ihn auch weiterhin mit der Bezeichnung »Häuptling« an, als einer Art Höflichkeitsfloskel. Nach einigen Zügen und vielen gegenseitigen Versicherungen des Wohlwollens und der Hilfsbereitschaft erhoben sich beide wieder, und Mattotaupa ging zu seinem Pferd zurück, ohne aufzusteigen. Bill lief von einem seiner Gefährten zum anderen und forderte jeden auf, Munition zusammenzusuchen, die unnützer Ballast für die Männer geworden war, nachdem sie die Waffen verloren hatten.
    Nicht alle schienen mit dem Handel einverstanden zu sein, aber Bill überredete sie mit einem nicht endenden Wortschwall. Was er dabei alles versicherte und erzählte, konnten Mattotaupa und Harka nur zum geringsten Teil verstehen.
    In der Pause, die den Dakota durch die Besprechungen der Weißen untereinander blieb, ließ sich Harka noch einmal alle Worte durch den Kopf gehen, die zwischen Bill und Mattotaupa gewechselt worden waren. »Dreckiger Indsman« und »verfluchte Rothaut« hatte Bill gesagt, und Mattotaupa hatte diese frechen Beleidigungen nur mit Ruhe und Ironie und nicht mit dem Messer beantwortet.
    Warum nicht? Alte Antilope hatte sterben müssen, weil er den Häuptling beleidigt hatte. Dieser Bill hier mit dem kurzen Hals und den kurzen Beinen und sein Indianer mit dem lächerlichen Halstuch aber konnten plappern und übersetzen, was sie wollten. Mattotaupa tat so, als seien sie Mücken, deren Stiche er nicht spürte. Sie waren wohl sehr verächtliche und kümmerliche Geschöpfe und zu nichts weiter gut, als für Harkas Büchse neue Patronen zu liefern.
    Bill kam schließlich mit fünfzig Stück an. Er gab dem Knaben zwei davon, und Harka lud seine Büchse. Das Kaliber stimmte.
    »Alle!« sagte Mattotaupa kurz.
    »Aber selbstverständlich alle!« erwiderte Bill. »Was denn sonst! Alle! Und zwar dann, wenn ihr uns dahin geführt habt, wo Menschen wie wir existieren können! Das würde euch so passen, die Munition einstecken und euch mit euren Gäulen davonmachen und uns hier dann die Sandkörner zählen lassen, bis uns der Atem ausgeht! Nein, gentlemen, so wird nicht gerechnet. Das Einmaleins stimmt nicht.«
    »Alle!«
    »Aber nicht hier, sage ich dir, und ich sage dir das, ich, Bill, der schon vierundzwanzig Hahnenkämpfe bestanden hat! Sobald wir die Oase des Lebens gefunden haben ­ alle. Aber nicht hier!«
    Mattotaupa gab Harka einen Wink, seinem Beispiel zu folgen, und ließ sich im Sande nieder. Harka setzte sich neben ihn.
    »Was soll denn das!« schrie Bill nervös.
    »Alle! Wir warten hier.«
    »Mann, Häuptling, du bist aber dumm! Glaubst du, du krepierst hier im Sande nicht auch?«
    »Gewiß. Aber erst nach den weißen Männern. Mein Sohn und ich, wir halten den Durst länger aus, weil wir geübter sind.«
    »Ach du höllisches Feuer und heilige Dreifaltigkeit! Das ist ja der komplette Wahnsinn! So was habe ich noch nicht erlebt, obwohl ich schon vierundzwanzig Hahnenkämpfe bestanden habe. Mann, ich habe meinen Gegnern die Nasen abgebissen und ihnen das Gesicht zerquetscht, und ich bin berühmt von Alaska bis Mexiko! Mir kannst du keinen solchen Schabernack spielen! Du kannst doch nicht … also das kannst du

Weitere Kostenlose Bücher