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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Indianer sagten nichts zueinander, denn jeder wußte vom anderen, daß er dasselbe beobachtete. Sie konnten allmählich etwa ein Dutzend Menschen unterscheiden, die sich erhoben hatten; klein waren diese in der Perspektive, aber unzweifelhaft erkennbar. Sie schienen sich zu dehnen und zu strecken, versuchten zu laufen, was ihnen jedoch zu mißglücken schien, denn sie verschwanden dabei zur Hälfte, als ob sie versunken seien. Wo der Sand hoch aufgeweht war, trug er nicht. Mattotaupa und Harka vergnügten sich einige Zeit damit, zu beobachten, wie ungeschickt die meisten dieser Männer sich benahmen.
    »Reiten wir hin!« sagte Mattotaupa schließlich. »Vielleicht ist mit diesen Männern im Sande auch noch etwas Munition übriggeblieben. Wir werden sehen, wer sie sind, aber wir wollen ihnen unsere Namen nicht nennen.«
    Die beiden Indianer schoben sich in dem rieselnden Sande wieder abwärts und gelangten ohne Zwischenfall zu ihren Pferden, von denen sie freudig begrüßt wurden. Sie stiegen auf, nahmen Decken, Proviant und Waffen mit und leiteten ihre Tiere mit leichtem Zeichen des Schenkeldrucks. Der Ritt ging langsam, mit vielen Umwegen vor sich. Die Erfahrung Mattotaupas und der natürliche Spürsinn der Mustangs vereinten sich, um die gangbaren Strecken zu finden. Harka lernte dabei. Als die Indianer der Stelle, an der sich die fremden Männer befanden, auf Rufweite nahe kamen und man sich schon deutlich genug sehen konnte, hielten sie an.
    »He! Ho!« tönte es ihnen lautstark entgegen.
    Mattotaupa setzte sein Tier jedoch nicht wieder in Bewegung, sondern wartete stumm und hob nur die unbewehrte Hand zum Zeichen, daß er keine feindlichen Absichten hege.
    Die Männer, von denen einige, verletzt schienen, besprachen sich mit lauten Stimmen untereinander, ohne daß die Indianer verstehen konnten, was sie sagten. Mattotaupa und Harka machten aber gleichzeitig eine Beobachtung, die sie sehr interessierte. Unter den dreizehn Männern befand sich ein roter Mann. Die Dakota versuchten sofort zu erkennen, welchem Stamme er zugehöre, konnten darüber aber nicht ins reine kommen. Der Indianer trug eine Lederhose. Sein Hemd aber war aus einem Stoff gefertigt, der dem der einstigen zerschlissenen Kleidung von Schwarzhaut glich. Um den Hals hatte er ein buntes Tuch geschlungen. Der Kopf war unbedeckt, und er ging barfuß. Harka erbitterte sich im stillen darüber, daß ein roter Mann sowenig auf sich hielt. Wo mochte dieser Indianer herstammen?
    Einer der Weißen, die in hohen Schaftstiefeln in dem hinderlichen Sande umherwateten, rief den Indianer mit dem Halstuch an, und nach einem Hin und Her, bei dem der Weiße viel, der Indianer aber wenig Worte machte, kamen die beiden auf Mattotaupa zu. Sie gingen im Sande wie der Storch im Salat. Mattotaupa und Harka hielten zu Pferd und stiegen auch jetzt nicht ab.
    Der Weiße, der auf sie zukam, war weder so groß und sehnig wie Red Jim noch so schlank wie Weitfliegender Vogel. Er war mittelgroß, hatte breite Schultern und einen kurzen Hals. Obgleich Harka schon an die Vorstellung von blonden Haaren und Hüten auf dem Kopfe gewöhnt war, wunderte er sich nun wieder, wie verschieden die weißen Männer gewachsen waren. Auch bei den roten Männern, die er kannte, gab es gewisse Unterschiede im Wuchs, aber sie waren doch alle schlank und groß. Der Weiße trug ein dickes Lederwams, hohe Schaftstiefel und einen breitkrempigen Hut. Dadurch wurde der Eindruck des Massigen und Schweren noch verstärkt. Er fing an zu sprechen und ließ den Indianer, der neben ihm stand, übersetzen. Harka hörte genau zu und verstand auch einige Worte unmittelbar. Der Indianer sprach den Dakotadialekt nicht als Muttersprache, aber doch gewandt.
    »Blödsinnige Gegend hier! Wie auf dem Mond! Ein Glück, daß die Sonne noch am Himmel hängt, so daß man weiß, was Ost und West ist. Seid auch aus dem Sand gekrochen, was? Sieht aus, als ob es im großen Land Amerika nichts weiter mehr als Sand gäbe. Sandfloh müßte man werden, Sandfloh! Wie soll ein anständiger Mensch hier noch leben und was zu saufen und was zu fressen finden? He? Wißt ihr das vielleicht?«
    »Vielleicht finden wir Wasser, vielleicht auch nicht«, antwortete Mattotaupa sachlich. »Wenn wir nach drei Tagen keines gefunden haben, werden wir verdursten.«
    »Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, mein verehrter Indsman! Aber ich habe keine Lust zu krepieren, verstehst du? Wo wollt ihr denn nun hinreiten?«
    »Ist es wichtig für

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