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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihr bewegt, rührte sich in dem Totenmeer des Sandes da und dort ein schüchterner Versuch übriggebliebenen Lebens. Ein paar Büffel arbeiteten sich hervor, gelb von Staub, blind von Staub, taub von Staub, der sich in Augen und Ohren gesetzt hatte, fast erstickt vom Staub in den Nüstern. Sie schüttelten sich, schnaubten, wischten den sandbestaubten Kopf an den Vorderbeinen ab, rieben sich aneinander, und als sie wieder etwas erkennen konnten, schauten sie lange über das veränderte, erstorbene Land. Einer fand seine Stimme wieder und brüllte dumpf. Aber er fand kein Echo. Die Herde war zerstreut, und vielleicht war die kleine Gruppe der Büffel das einzige, was noch übriggeblieben war. Von den fünf Tieren, aus denen die Gruppe bestand, waren zwei einem elenden Tod verfallen, da der Sturm sie durch die Luft gewirbelt hatte und ihre Knochen gebrochen waren. Die drei, die sich noch bewegen konnten, drängten sich aneinander und blieben für die Nacht beieinander stehen. Am nächsten Morgen mußten sie die große Suche beginnen, wo die neugebildete Flugsandwüste endete und wo sich Gras und Wässer finden ließen.
    In derselben frühen Nachtstunde wie die Büffel arbeiteten sich noch andere Lebewesen aus dem Sande heraus. An einem Hügel, der gegen Süden zu mit breitem, flach ansteigendem Rücken eine große Sandlast auf sich genommen hatte, lag die Sandmasse am steileren Nordhang verhältnismäßig dünn. Hier zeichneten sich in den Sandwellen Figuren ab, und darunter begann es sich zu bewegen, so etwa, als ob ein Maulwurf Erde hebe, um herauszukriechen. Die Bewegung wurde sehr rasch lebhaft, Sand wurde beiseite geschleudert, eine Decke abgeworfen, und dann erschienen fast gleichzeitig zwei Pferde und zwei Menschen. Die Pferde stampften, schüttelten die Mähnen, niesten und schnaubten, und die Menschen suchten ebenfalls den Sand loszuwerden. Doch waren sie davon in viel geringerem Maß behaftet als die Büffel, da die beiden Menschen und die Pferde wenigstens den Kopf und damit die Atmungs- und Sinnesorgane durch die Büffelhautdecke geschützt hatten. Auch diese kleine Gruppe blieb für die Nacht in der Gegend, in der sie den Wirbelsturm überstanden hatte.
    Die Büffel und die Menschen konnten einander nicht sehen. Sie waren zu weit voneinander entfernt. Der Sandsturm hatte riesige Strecken des Landes verheert.
    Auch die beiden Menschen, ein Mann und ein Junge, hielten aber Ausschau. Sie umgingen den versandeten Hügel, der sie geschützt hatte, um von Süden her auf die dünenartige Sandaufhäufung hinaufzuklettern. Das war nicht leicht. Sie versanken bei jedem Schritt und konnten nur dadurch weiterkommen, daß sie sich hinlegten und vorwärts robbten. Endlich lagen sie oben und blickten rings über die endlos erscheinenden Sandwellen.
    Der Sturm hatte sich völlig ausgetobt. Es bestand keine Gefahr mehr. Da die beiden Menschen auf alle Fälle im Sande lagen, ob oben auf dem Scheitel oder unten am Fuße des Hügels, blieben sie für die Nacht ruhig auf der einmal gewonnenen Höhe und wachten und schliefen in den folgenden Stunden abwechselnd. Die Pferde verhielten sich ganz ruhig, auch ohne daß sie festgemacht wurden. Sie hatten am Abend vorher gegrast und gesoffen, noch ehe der Sturm begann, und nichts konnte sie locken, im Mondschein in den Sanddünen spazierenzugehen. Ihr Instinkt hatte ihnen die Gefahr vermittelt, und sie waren jetzt froh, daß sie noch lebten.
    Gegen Morgen waren die Indianer beide wach. Die Sonne, die am Tage vorher mit einem merkwürdig matten Schein für den Erfahrenen das Unwetter schon angekündigt und die Indianer zu ihren Vorsichtsmaßnahmen veranlaßt hatte, ging nun mit ihrer immer wiederkehrenden Reinheit und Klarheit über dem zerstörten Lande auf. Viel weiter noch als bei Nacht konnte die Sehkraft des Auges an diesem Morgen wirksam werden. Mattotaupa und Harka spähten umher, während sich die Mustangs am Fuße des Hügels leise rührten. Die Tiere nahmen Witterung auf.
    Mattotaupa schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonnenstrahlen ab, um noch deutlicher sehen zu können. Der Junge hatte den Blick auf denselben Punkt gerichtet wie der Vater. Nicht allzu weitab von dem Hügel, auf dem die beiden lagen, war etwas in Bewegung geraten, und in der absoluten Stille der Todeslandschaft vernahmen sie auf einmal menschliche Stimmen, wenn auch nur als fernen, kaum deutbaren Hall. Vielleicht waren es Rufe, mit denen Männer einander suchten oder aufmunterten.
    Die beiden

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