Der Weg in die Verbannung
und niemand konnte wissen, was er im nächsten Augenblick tun würde. Alle besaßen noch ihre Revolver und Pistolen, und jeder Streit konnte blutig enden, wenn einem der Männer die Nerven rissen.
Im Laufe des Marsches hatten Mattotaupa und Harka die Kräfte, die Geschicklichkeit und den Charakter jedes einzelnen schon etwas unterscheiden gelernt. Der vernünftigste unter den Weißen schien ein Mann in mittleren Jahren, in dessen Haar sich schon die ersten eisgrauen Fäden. zeigten. Harka war er zuerst aufgefallen, weil er nicht mit den anderen zusammen auf die Verletzten geschossen hatte. Er redete auch jetzt zum Guten und bat die Männer, nicht den Verstand zu verlieren. Man müsse wohl oder übel wenigstens drei Stunden rasten, wie Mattotaupa und der indianische Führer mit Namen Tobias vorgeschlagen hatten.
Den Männern wankten allen die Knie, die Zungen klebten ihnen am Gaumen, und ihre Erschöpfung siegte noch einmal über ihre nervöse Überreizung. Sie ließen sich in den Sand fallen, und einige schliefen gleich ein.
Mattotaupa und Harka standen bei ihren Mustangs, die immer wieder Witterung nahmen. Tobias und der ältere Weiße, der Tom angeredet wurde, kamen zu den beiden Dakota herbei. »Was haltet ihr denn nun von unserer Situation, ernsthaft und unter Männern gesprochen?« fragte Tom.
»Wir sind nicht weit vom Niobrara. Die Tiere spüren schon Wasser.«
»Häuptling, das wäre ja … wäre ja … die Rettung! So nah!«
An Stelle Mattotaupas nahm Tobias das Wort: »So nahe, aber nicht so einfach zu gewinnen. Wir haben ein sehr schwieriges Stück Weg vor uns, das schwierigste von allen, denn wir müssen durch die Großen Sandhügel hindurch, und wenn der Sturm dort auch gewütet hat, wird es schlimm aussehen.«
Mattotaupa stimmte dem zu. Tom seufzte leise. Tobias schaute sich um. Als er sich überzeugt hatte, daß die erschöpften sechs Männer fest schliefen, begann er auch ihnen die Revolver und Pistolen wegzunehmen. Tom und auch Mattotaupa halfen ihm sofort bei diesem Vorhaben. Als drei der sechs Schläfer erwachten, waren schon alle Schußwaffen in den Händen der Indianergruppe und Toms. Nur Messer besaßen die anderen noch. Sie waren ihre einzige Waffe.
»Verfluchte Diebe! Mordgesindel! Rote Halunken!«
»Und der Tom macht Halbe-Halbe mit euch! Das merken wir uns!«
»Daß der Tobias ein Verräter ist, habe ich ja immer gesagt!«
»Der Teufel soll euch holen! Uns in die Irre führen und dann ausrauben und krepieren lassen!«
Das Schelten hatte auch die letzten drei Schläfer geweckt. Mit entsetzten, aufgerissenen Augen starrten sie in die Dunkelheit und brüllten unartikuliert los wie scheu gewordenes Vieh.
Mattotaupa, der Indianer mit dem für die Dakota unverständlichen Namen Tobias, auch Tom und Harka hatten sich mit den Pferden so weit von den anderen entfernt, daß diese ihnen nicht mit den Messern nahe kommen konnten, ehe ein Schuß sie traf. Die Revolver und Pistolen waren geladen.
»Ruhe!« sagte Tobias herrisch. »Wir töten und berauben euch nicht. Wir sind nicht weit vom Niobrara, aber das Stück Weg ist noch schwer. Wir beschützen euch nur vor eurer eigenen Tollwut! Ihr habt noch eine Stunde Ruhe!«
Weniger die Worte als die drohenden Revolver brachten die Männer zum Nachgeben. Sie legten sich wieder hin. Der Durst quälte sie, und sie träumten jetzt, zuckten und wälzten sich.
In der einen Stunde, in der die Indianer und Tom noch unter sich waren, entstand ein Gespräch zwischen ihnen.
»Du kennst das Land«, sagte Mattotaupa zu Tobias. »Deinen Worten habe ich entnommen, daß du es wahrscheinlich besser kennst als ich. Warum vertrauen dir die weißen Männer sowenig? Warum haben sie nicht dich als Führer gewählt, sondern mir fünfzig Patronen für meinen Sohn gegeben, damit ich sie führe?«
Der Gefragte gab einen Laut von sich, als ob er lache. »Das weißt du nicht? Hast du nicht verstanden, was Bill den Männern sagte?«
»Nein.«
»Sie trauen mir nicht, weil sie glauben, daß ich sie in dem Sandsturm umkommen lassen wollte.«
»Vielleicht wolltest du es«, sagte Mattotaupa.
Der Indianer mit Namen Tobias schwieg.
Es hielt sehr schwer, die Männer nach dem Schlaf wieder auf die Beine zu bringen. Tom, Tobias und Mattotaupa schrien die Erschöpften, die willenlos zu werden drohten, an, rissen sie auf, stießen sie, bis endlich wieder alles in Marsch gesetzt war.
»Bald Wasser!« sagte Tobias. »Bald Wasser!«
Das war das Zauberwort, das die letzten
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