Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Wasser herkommen? War das Grundwasser? Ob der Schacht unter Wasser vielleicht breiter wurde, so daß man sich darin umdrehen konnte?
    Harka wollte das untersuchen. Er war ein sehr guter Taucher und hielt lange unter Wasser aus. Nun sollten ihm diese lange geübten Fertigkeiten einmal in einer verzweifelten Lage nützlich werden! Tief atmend speicherte er Luft in der Lunge, nahm Hände und Füße von den Wänden des Brunnenschachts ab und ließ sich mit vorgestreckten Armen ins Wasser hinabfallen. Die Entdeckung, die er dabei machte, war erstaunlich.
    Er kam verhältnismäßig bald auf Grund. Der Schacht blieb bis unten ziemlich eng, nur eben so weit, daß ein Mensch sich etwa hindurchquetschen konnte, wenn er schlank war. Aber auf dem Grund war der Schacht nicht zu Ende. Es kam Wasser von der Seite herein, und der jugendliche Taucher begann in diesen seitlich führenden Schacht, dessen Wände sich als Holz anfühlten, hineinzukriechen. Er hatte sofort begriffen, daß es in dieser Richtung nach dem Fluß ging, und da er genug Luft geschöpft hatte, um ein paar Minuten auszuhalten, wollte er den waghalsigen Versuch machen, hier durchzukommen. Er konnte nicht wissen, ob es eine Öffnung geben würde ­ ­ aber er wollte danach suchen.
    Harka glitt wie ein Fisch durch die Röhre. Er arbeitete mit allen Kräften. Wenn es noch lange so weiterging, erstickte er doch noch. Aber vielleicht war dies nicht nur als Brunnen, sondern auch als Fluchtweg gebaut, und dann mußte er sich hinausarbeiten können. Ah! Ah!
    Harka gelangte mit dem Kopf an eine halb versandete Öffnung der eigentümlichen Wasserleitung. Hier mußte der Fluß sein, hier ging es nach oben! Mit aller Anstrengung zwängte sich der Knabe so schnell wie nur möglich hinaus und gelangte ins Freie. Er tauchte in der Mittelrinne des Flusses auf und sah über sich den Sternenhimmel.
    Wasser speiend und tief Luft holend, schwamm er ein kleines Stück abwärts, stieg dann aus dem Wasser und legte sich erst einmal flach auf eine Sandbank, um wieder ganz zu sich zu kommen. Dabei lauschte er und überlegte.
    Beim Blockhaus war es stiller geworden. Die Hunde knurrten nur noch. Die Indianer in dem Lager auf der Wiese am Fluß saßen beieinander und wisperten. Die Reste der Blockhaustür hingen in den Angeln. Was mochte aus dem Vater geworden sein, aus Gelbbart, aus Langspeer?
    Harka beschloß, in das Indianerlager auf der Wiese zu gehen. So herabgekommen diese roten Männer auch sein mochten, ein Indianerkind würden sie nicht, ermorden. Vielleicht waren einige darunter, die die Dakotasprache verstanden und ihm Auskunft geben konnten. Er rollte sich wieder ins Wasser, schwamm noch ein Stück hinunter und gewann das Ufer. Durch eine Bodenwelle in Deckung gegen das Blockhaus lief er dem Indianerlager zu.
    Noch waren dort alle wach. Als sie merkten, daß der Junge die Dakotasprache kannte, wiesen sie ihn zu ein paar Männern hin, die ihre schwarzen Haare gescheitelt hatten und in Zöpfen trugen. Der Junge setzte sich stillschweigend zu diesen.
    »Wir kennen dich«, sagte einer der Männer nach einiger Zeit.
    »Dein Vater hat die Türe eingeschlagen und den Kriegsruf erhoben. Jetzt halten ihn die weißen Männer gefesselt in dem Hause, weil sie behaupten, er habe den weißen Geheimnismann und Langspeer töten und berauben wollen.«
    »Was machen Gelbbart und Langspeer?«
    »Sie reden für Mattotaupa, aber vergeblich. Sie müssen sich selbst hüten, zu laut zu reden. Ihr Geld haben sie behalten.«
    »Was kann ich tun?«
    »Bleibe hier, wir verstecken dich. Für deinen Vater kannst du noch gar nichts tun. Warte.«
    Damit mußte Harka sich zunächst abfinden.
    Als die Sonne aufging, gaben ihm die Männer zerschlissene Kleidung und ein buntes Tuch, das er um die Stirn binden konnte. In dieser Verkleidung fiel er nicht auf. Sie gaben ihm auch zu essen, was er brauchte. Das war nicht viel.
    Harka beobachtete Ben. Er beobachtete auch Langspeer und Gelbbart, die frei aus- und eingingen. Sie waren gerettet, aber Mattotaupa lag in Fesseln. Der Vater war am Leben, dessen vergewisserte sich der Junge durch seine Freunde immer wieder.
    Harka schmiedete viele Pläne, um seinen Vater zu befreien, verwarf sie aber alle wieder. Er wagte es nicht einmal, sich mit Langspeer in Verbindung zu setzen. So vergingen drei Tage.
    Ben kam in dieser Zeit nicht in das Indianerlager. Er hatte sehr niedrige Preise geboten, die die Indianer nicht zugestehen wollten. Um sie mürbe zu machen, ließ er sich

Weitere Kostenlose Bücher