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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Vorräte des Wirts, die sich jetzt in einem abseits stehenden Zelte befanden. Wandbänke, einige schwere Tische und Hocker und ein Herd waren das ganze Mobiliar des Blockhauses. Da durch die Schießluken sehr wenig Tageslicht eindrang, hatte Ben in Haken an der Wand zwei brennende Pechfackeln angebracht, die in dem Dämmer des Raumes einen flakkernden Schein verbreiteten. Der Raum war von Rauchgeruch und Branntweingestank geschwängert. Harka atmete diese dicke Luft mit Widerwillen. Daheim in den Zelten hatte der Rauchabzug besser funktioniert.
    Die Indianer, an schnelles Beobachten gewöhnt, hatten sofort den Maler und seinen Begleiter Langspeer herausgefunden. Die beiden aßen, wie eine Art Ehrengäste, an einem kleinen Tisch in der linken hinteren Ecke allein, während sich die Gäste an den übrigen Tischen drängten. Mattotaupa und Harka gingen auf die beiden zu.
    Langspeer schien dem Maler etwas zuzuflüstern, worauf sich dieser, offenbar verblüfft, erhob und den beiden Dakota mit Langspeer zusammen entgegenkam.
    »Unsere roten Freunde!« sagte er, halb freudig, halb fragend. »Kommt an unseren Tisch!«
    Die kleine Begrüßungsszene wurde von den Gästen der Nachbartische im allgemeinen flüchtig, von einigen aber auch aufmerksam betrachtet. Mattotaupa und Harka ließen sich nieder. Harka saß zum erstenmal in seinem Leben auf einer Bank. Er fand diese Art des Sitzens, bei der die Beine herabhingen, sehr unbequem, ließ es sich aber nicht anmerken, sondern hörte den Männern aufmerksam zu. Mattotaupa formulierte knapp, was er über sein Schicksal zu sagen hatte, und bat Langspeer, diese Mitteilungen nicht in der Wirtsstube zu übersetzen, sondern sie dem Weitfliegenden Vogel einmal unbeobachtet weiterzugeben. Jetzt wollte Mattotaupa den Namen »Geheimnishund« oder »Pferd« führen und Harka den Namen »Büffelpfeil«. Harka fühlte, wie Langspeers Blick mit schwermütiger Anteilnahme auf ihm ruhte.
    Ben war schon flink herbeigeeilt und nahm die Essenbestellung des Malers für vier Personen entgegen. Der Maler erkundigte sich nach den Auswirkungen des Wirbel- und Sandsturmes, dessen Wüten allgemeinen Schrecken verbreitet hatte. Bei der Einsilbigkeit des Indianers schlich sich das Gespräch schleppend hin. Langspeer brachte das Thema des Nachtlagers auf.
    »Bei unseren Pferden«, sagte Mattotaupa bestimmt.
    »Etwas kalt draußen in der Nacht«, meinte der Maler. »Aber wenn ihr da draußen schlaft, wollt ihr auch ein wenig auf unsere Tiere aufpassen?«
    »Ja.«
    »Dafür sind wir euch sehr dankbar. Es haben sich hier allerhand Figuren und Gestalten gesammelt, denen man nicht ohne weiteres trauen kann.«
    »Auf Handelsstationen wird selten geraubt«, bemerkte Langspeer. »Sie müssen ihren Ruf wahren, damit die Leute ihre Ware dahin bringen. Aber ich weiß nicht, ob der zahnlose Ben hier noch ganz Herr der Lage ist.«
    Harka hatte schon bemerkt, daß Langspeer die schöne Kette aus Gold und edlen Steinen, die Harka und seine Gefährten im heimatlichen Dorf der Bärenbande so sehr bewundert hatten, nicht um den Hals trug. Er wollte keine Diebesund Raubgelüste herausfordern. Er schlug jetzt auch vor, ob nicht er selbst und der Maler ebenfalls bei den Pferden schlafen wollten, aber Gelbbart lächelte teils nachsichtig gegenüber diesem Ansinnen, teils für sich Verzeihung heischend, und meinte: »Im Sommer hätte ich das noch mitgemacht, gewiß, Langspeer! Wir haben oft genug miteinander in der freien Prärie genächtigt! Weißt du noch damals, als wir im Gebirge dem Grizzly begegneten und er uns in die Flucht schlug?
    Aber nun ist es Herbst, die Nächte sind schon kalt, und ich habe ein Magenübel, auf das ich etwas Rücksicht nehmen muß. Also werde ich im Hause bleiben.«
    Langspeer widersprach dem nicht, aber Harka spürte, wie unruhig und mißtrauisch der Cheyenne war, und nach allem, was Harka in der Sandwüste gesehen und gehört hatte, teilte sich ihm Langspeers argwöhnische Unruhe in steigendem Maße mit. Unter gesenkten Lidern beobachtete er die Gäste an den anderen Tischen.
    Draußen dunkelte es, und die beiden Indianer gingen zu den Pferden, um sich dort für die Nacht einzurichten. Langspeer kam mit, um ihnen Decken zu geben, die er für den Maler und sich auf den Lasttieren mitführte. Es war schon lange her, daß Harka so viele Decken des Nachts zur Verfügung gehabt hatte, und er lag bei seinem Grauschimmel bequemer als seit Monaten. Mattotaupa hatte sich bei seinem Fuchs niedergelassen. Die

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