Der Weg in die Verbannung
nicht sehen und hoffte, daß sie nachgeben würden, sobald ihre Vorräte zu Ende gingen. Die Indianer hingegen wollten dem Wucherer zeigen, daß sie warten konnten. Sie sonnten sich, das machte keinen Hunger. Einige jüngere veranstalteten auch Spiele.
Harka sah den Spielern zu. Sie hatten zwei Tore bestimmt und trieben einen Ball mit Stöcken hin und her. Harka fiel ein, wie oft er dieses Spiel mit den Jungen Hunden, mit Kraushaar, mit seinem Bruder Harpstennah, selbst mit dem älteren Tschetan gespielt hatte. Es kam ihm vor, als ob dies in einem ganz anderen Leben geschehen sei, als ob er, Harka, überhaupt nicht mehr derselbe Junge sein könne, der zwischen den Zelten der Bärenbande mit den Gefährten nach dem Ball gerannt war. Dennoch zuckten ihm die Glieder, wenn er einen Spieler ungeschickt spielen sah. Er hätte sich am liebsten den Stock geben lassen, um den anderen einmal vorzumachen, was spielen hieß! Aber das durfte er nicht wagen. Ben hätte ihn erkennen können.
Am dritten Tag ereignete sich etwas Neues und Wichtiges.
Red Jim kam.
Obgleich er von Westen her erwartet worden war, ritt er aus dem Osten zu dem Blockhaus. Er galoppierte stracks, nach Cowboyart, auf das Blockhaus zu, in dessen Öffnung Ben stand, riß sein Pferd hoch und schwenkte den Schlapphut.
»Guten Morgen, zahnloser Zweibeiner!« Er sprach so laut, daß es rings zu hören war. »Was macht das Geschäft?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang Jim vom Pferd, brachte es in die Umzäunung und schien dort von Überraschung geradezu überfallen zu werden. »Hoi! Hoi! Was ist hier alles versammelt! Die Tierchen kenne ich doch!«
Ben war ihm nachgekommen. »Soso, die Tierchen kennst du! Wolltest mir aber im Sommer durchaus nicht zugestehen, daß du der alte Freund von Mattotaupa und seinem verlausten Jungen bist!«
»Was redest du da für Unsinn! Wo stecken die beiden?«
»Der Junge ist ersoffen …«
»Dich hat wohl einer mit der Axt auf den Kopf gehackt, daß dein Verstand ein Loch bekommen hat wie deine Tür da! Dir sind wohl nicht nur die Zähne, sondern auch schon die Augen ausgefallen! Der Junge sitzt doch da drüben bei den Rothäuten!«
»Da drüben …« Ben erschrak.
»Aha!« lachte Jim. »Böses Gewissen, wie man so schön sagt, wie? Halloo!!« Er legte die Hände an den Mund. »Halloo! Harka Wolfstöter Büffelpfeilversender!«
Der Junge erhob sich. Die Namen hatten ihn getroffen. Er ging zu Red Jim hin.
»Junge, Junge, wie siehst du denn aus? Was macht dein Alter, Mattotaupa?«
Harka setzte jetzt alles auf eine Karte.
»Mein Vater Mattotaupa wird von Ben und den anderen weißen Männern gefangengehalten. Sie verleumden ihn, er habe Weitfliegenden Vogel und Langspeer angreifen wollen, aber in Wirklichkeit hat er Weitfliegenden Vogel gegen die Räuber und Diebe beschützt!«
Ben wollte wütend auffahren, aber Jim schlug ihm mit seiner schweren Hand derart auf die Schulter, daß der Wirt in die Knie knickte.
»Ben, zahnloses Scheusal, ich habe dir gleich gesagt, daß du ein schlechtes Gewissen hast. Bei deinem ersten Wort habe ich das schon gewittert wie ein Büffel den Präriebrand. Also ohne Umschweife, führe mich sofort zu meinem Freunde Mattotaupa!«
Ben gehorchte schweigend und ging mit Jim in das Blockhaus. Harka kam mit; niemand wies ihn zurück.
Im Hause war es dämmrig, aber durch die offene Tür fiel genügend Licht herein, um alles ohne Mühe erkennen zu lassen. Es befanden sich nur wenige Männer im Raum, die sich jetzt möglichst schnell zurückzogen. Ben führte in die linke hintere Ecke. Dort lag Mattotaupa lassoumschnürt am Boden, ohne sich rühren zu können. Er hatte aber die Augen offen und sah nach seinem Jungen, mit einem Blick, der Harka die Nerven zusammenzog. Der Vater hatte ihn wohl tot geglaubt. Harka kniete sich, ohne irgend jemand darum zu fragen, zu seinem Vater und wollte die Lassoknoten lösen. Da sie jedoch sehr festgezogen waren, nahm er kurzerhand das Messer aus der Scheide und zerschnitt die Fesseln. Es war die Steinklinge, die er im Bergschutt gefunden und zu der ihm der Vater den Griff gemacht hatte. Sie schnitt vorzüglich.
Mattotaupa streckte die angeschwollenen Glieder, in denen sich das Blut gestaut und ihm heftige Schmerzen verursacht hatte. Dann sprang er plötzlich auf die Füße. Er richtete es so ein, daß er sich im Stehen an die Wand lehnen konnte, denn es fiel ihm noch schwer, das Gleichgewicht zu halten.
»Mattotaupa«, rief Jim, volltönend wie immer. »Was
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