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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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ihr lieber doch nicht unterstellen.
    Miranda Pryor hat mich neulich besucht und mir geholfen bestimmte Rotkreuzgewänder auszuschneiden, die unter dem reizenden Namen »Ungezieferhemden« bekannt sind. Susan findet den Namen nicht gerade anständig, also schlug ich ihr vor, sie »Läusesäcke« zu nennen, wie Sandy, der alte Schotte, dazu sagt. Aber sie schüttelte den Kopf, und später hörte ich, wie sie zu Mutter sagte, »Läuse« und »Säcke« wären wohl nicht die richtigen Ausdrücke für ein junges Mädchen. Zu ihrem Entsetzen schrieb Jem auch noch in seinem letzten Brief an Mutter: »Sag Susan, dass ich heute Morgen auf Läusejagd war und dreiundfünfzig gefangen habe!« Susan wurde grün wie eine Erbse. »Liebe Frau Dokton, sagte sie, »wenn zu meiner Zeit anständige Leute das Pech hatten, sich solche - solche Insekten -einzufangen, dann schwiegen sie darüber. Ich will bestimmt nicht kleinlich sein, liebe Frau Doktor, aber ich finde nach wie vor, man sollte über solche Dinge nicht reden.«
    Miranda wurde über unseren Ungezieferhemden sehr vertraulich und erzählte mir von ihren Sorgen. Sie ist todunglücklich. Sie ist mit Joe Milgrave verlobt und der hat sich im Oktober anwerben lassen und ist seither bei der Truppenübung in Charlottetown. Ihr Vater war wütend, als er das hörte, und verbot Miranda jeden weiteren Umgang mit ihm. Der arme Joe. Er rechnet jeden Tag damit, nach Übersee zu gehen, und möchte, dass Miranda ihn noch vorher heiratet. Es muss also hinter Schnauzbarts Rücken schon zu einer Art «Umgang« zwischen den beiden gekommen sein. Miranda will ihn heiraten, aber sie kann nicht, und das bricht ihr das Herz, sagt sie.
    »Warum brennst du nicht einfach mit ihm durch und heiratest ihn?«, fragte ich sie. Ich hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei, ihr einen solchen Rat zu geben. Joe Milgrave ist ein wunderbarer Mensch, und Mr Pryor war ganz begeistert von ihm, bevor der Krieg ausbrach. Mr Pryor würde Miranda ganz bestimmt verzeihen, wenn es einmal passiert ist, nur damit sie wieder zurückkommt und ihm den Haushalt führt. Aber Miranda schüttelte traurig ihr silberblondes Haupt.
    »Joe will mich, aber ich kann nicht. Mutters letzte Worte auf dem Sterbebett waren, dass ich nie, nie weglaufen dürfe, und ich habe es ihr versprochen.«
    Mirandas Mutter ist vor zwei Jahren gestorben. Aber wenn ich sie richtig verstanden habe, sind ihre Mutter und ihr Vater damals selber durchgebrannt, um zu heiraten. Es fällt mir allerdings schwer, mir Mondgesicht-mit-Schnauzbart vorzustellen, wie er mit seiner Geliebten durchbrennt. Aber so war es wohl und Mrs Pryor hat das wohl zeitlebens bereut. Sie hatte es schwer mit Mr Pryor, und sie hielt das für die Strafe dafür, dass sie weggelaufen war. Deshalb musste Miranda ihr versprechen, dass sie das niemals macht, egal, was kommt.
    Natürlich kann man ein Mädchen nicht dazu überreden, das Versprechen zu brechen, das sie ihrer sterbenden Mutter gegeben hat. Ich sah also keine andere Möglichkeit als die, dass Joe zu ihr nach Hause kommt, wenn ihr Vater nicht da ist, und sie dort heiratet. Aber Miranda sagte, das ginge nicht. Ihr Vater hätte wohl den Verdacht, dass ihr so etwas vorschwebte, und ginge deshalb schon seit längerem nicht mehr aus dem Haus. Und Joe würde natürlich auch nicht gerade von einer Minute auf die andere Urlaub bekommen.
    »Nein, ich werde Joe einfach gehen lassen müssen, und dann wird er umkommen - ich weiß, dass er umkommt -, und das wird mir das Herz brechen«, schluchzte Miranda, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen und die Ungezieferhemden einweichten!
    Wenn ich das so formuliere, heißt das nicht, dass ich mit der armen Miranda kein Mitleid hätte. Es ist eine Gewohnheit von mir geworden, ein bisschen zu witzeln, wenn ich anjem und Walter schreibe; ich will sie damit einfach zum Lachen bringen. Miranda tat mir wirklich Leid, wo sie doch so bis über beide Ohren in Joe verliebt ist und wo sie sich so schrecklich schämt, weil ihr Vater für die Deutschen ist. Ich glaube, sie wusste, dass ich Mitleid hatte mit ihr, weil sie sagte, ich hätte mich das letzte Jahr zu so einem verständnisvollen Menschen entwickelt. Und deswegen wollte sie mir ihre Sorgen anvertrauen. Ich frage mich, ob das stimmt. Ich weiß, ich war früher ein egoistisches, gedankenloses Ding. Ich schäme mich richtig, wenn ich daran zurückdenke. Also kann ich doch jetzt so schlimm nicht mehr sein.
    Wenn ich Miranda doch bloß helfen

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