Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
Vom Netzwerk:
der Tür die Pfoten ganz sauber geputzt. Er fühlt sich woanders immer so einsam, wenn ich nicht bei ihm bin, und bald wird er das Einzige sein, was mich - was mich noch an - an Joe erinnert.«
    Rilla willigte ein und Sir Wilfrid trottete mit seinem vorwitzigen Ringelschwanz triumphierend vor ihnen die Treppe hinauf.
    »Ach, Rilla«, schluchzte Miranda, als sie die Zufluchtsstätte erreicht hatten. »Ich bin ja so unglücklich! Ich kann dir gar nicht sagen, wie unglücklich ich bin! Es bricht mir das Herz, ganz ehrlich!«
    Rilla setzte sich neben sie aufs Sofa. Sir Wilfrid hockte sich vor ihnen nieder, streckte seine freche rosa Zunge heraus und lauschte.
    »Was ist los, Miranda?«
    »Joe kommt heute Abend das letzte Mal nach Hause. Am Samstag habe ich seinen Brief bekommen. Er schreibt mir an Bob Crawfords Adresse, musst du wissen, wegen Vater. Rilla, stell dir vor, er bekommt nur vier Tage Urlaub, und Freitagmorgen muss er gehen - und ich sehe ihn womöglich nie mehr wieder.«
    »Will er denn immer noch, dass du ihn heiratest?«, fragte Rilla.
    »Ja, natürlich. Er hat mich in seinem Brief angefleht, fortzulaufen und ihn zu heiraten. Aber das kann ich nicht, Rilla, nicht mal ihm zuliebe. Mein einziger Trost ist, dass ich ihn morgen Nachmittag eine Weile sehen kann. Vater muss geschäftlich nach Charlottetown. Dann werden wir uns wenigstens in Ruhe voneinander verabschieden können. Aber danach - ach, Rilla, ich weiß, dass Vater mich noch nicht mal am Freitagmorgen zum Bahnhof gehen lässt, um Joe Lebewohl zu sagen.«
    »Warum in aller Welt geht ihr nicht hin und heiratet einfach morgen Nachmittag bei dir zu Hause?«, wollte Rilla wissen. Miranda glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und verschluckte sich fast an ihrem Schluchzer.
    »Wie - also - also, das geht doch nicht, Rilla!«
    »Wieso nicht?«, fragte Rilla kurz und bündig. Ja, wieso nicht, wo sie doch in der Lage war, ein Jugend-Rotkreuz zu organisieren und Babys in Suppenschüsseln zu transportieren! »Weil - weil - die Idee ist uns nie gekommen. Joe hat keine Genehmigung, und ich, ich habe kein Kleid - ich kann doch nicht in Schwarz heiraten - ich - ich - wir —du - du -« Miranda verlor völlig die Fassung. Sir Wilfrid witterte ihre arge Bedrängnis, warf den Kopf in den Nacken und ließ ein klagendes Jaulen vernehmen.
    Rilla dachte ein paar Minuten scharf nach. Dann sagte sie: »Miranda, lass mich nur machen, dann bist du noch vor vier Uhr morgen Nachmittag mit Joe verheiratet.«
    »Das schaffst du nicht.«
    »Doch, das schaffe ich. Aber du musst genau tun, was ich dir sage.«
    »Ach, ich - ich glaube nicht. Oh, Vater wird mich umbringen . . .«
    »Unsinn. Wahrscheinlich wird er sehr ärgerlich werden. Aber du hast doch wohl vor dem Zorn deines Vaters nicht mehr Angst als davor, dass Joe nie mehr zurückkehrt?«
    »Nein«, sagte Miranda mit plötzlicher Entschlossenheit. »Nein, habe ich nicht.«
    »Wirst du also das tun, was ich dir sage?«
    »Ja.«
    »Dann rufe jetzt Joe an und sage ihm, er soll heute Abend eine Genehmigung und einen Ring mitbringen.«
    »Das - das geht doch nicht«, fing Miranda wieder an zu jammern, »das - das gehört sich doch einfach nicht.«
    Rilla klappte hörbar die Zähne zusammen und zischte kaum hörbar: »Jetzt platzt mir aber gleich der Kragen! Dann tue ich es eben!«, rief sie laut. »Und du gehst inzwischen nach Hause und bereitest alles so weit wie möglich vor. Und wenn ich dich anrufe, um dir zu sagen, dass du kommen und mir beim Nähen helfen sollst, dann komm aber auch sofort!«
    Blass und verstört, aber wild entschlossen machte sich Miranda auf den Weg. Rilla sauste zum Telefon und meldete ein Ferngespräch nach Charlottetown an. Die Verbindung kam dermaßen prompt zu Stande, dass für Rilla feststand, der Allmächtige sei mit ihrem Tun einverstanden. Aber es dauerte noch eine gute Stunde, ehe sie Joe Milgrave in seinem Lager erreichen konnte. In der Zwischenzeit wanderte sie ungeduldig auf und ab und betete, dass, wenn sie Joe am Apparat hatte, niemand in der Leitung war, der mithörte und die Neuigkeit an Mondgesicht-mit-Schnauzbart weitergab.
    »Bist du’s, Joe? Hier spricht Rilla Blythe. Rilla - Rilla -, ach, egal. Hör zu. Bevor du heute Abend nach Hause kommst, besorge dir eine Heiratserlaubnis - eine Heiratserlaubnis - ja, eine Heiratserlaubnis! Und einen Trauring. Hast du verstanden? Wirst du dich darum kümmern? Gut, aber nicht vergessen. Es ist eure einzige Chance!«
    Rilla war ganz aus dem Häuschen.

Weitere Kostenlose Bücher