Der Weg Nach Tanelorn
Marschen reiten wolltest. So riefen wir so viele Männer zusammen, wie in der Eile möglich war, um uns bei der Suche nach dir zu helfen.«
»Ich bin euch allen sehr dankbar«, murmelte Falkenmond. »Eure Suche wäre nicht notwendig gewesen, wenn ich mich nicht so einfältig benommen hätte – uhh!« Das Sumpfwasser drang in seinen Mund.
Ein Seil flog ihm entgegen. Mit seiner glücklicherweise noch freien Rechten gelang es ihm gerade, es zu erfassen und die Hand in die Schlinge zu schieben.
»Zieht!« rief er. Er ächzte, als die Schlinge um sein Handgelenk sich zusammenzog, und ihm war, als risse man ihm den Arm aus.
Unsagbar langsam kam er aus dem Sumpf hoch, der sein Opfer nur widerwillig freigab. Doch endlich saß er keuchend am Rand des Pfades, und Yisselda umarmte ihn, ungeachtet des stinkenden Schlammes, der an ihm klebte. »Wir dachten, du seiest tot!« schluchzte sie.
»Das glaubte ich ebenfalls«, murmelte er. »Doch statt dessen habe ich den Tod eines meiner besten Pferde verschuldet. Ich hätte den eigenen wahrhaftig verdient.«
Hauptmann Vedla blickte sich unruhig um. Im Gegensatz zu den in der Kamarg aufgewachsenen Hütern war er kein Freund der Marschen, nicht einmal im hellen Tageslicht.
»Ich sah den Burschen, der sich Graf Brass nennt«, wandte sich Falkenmond an ihn.
»Und Ihr habt ihn getötet, mein Lord?«
Falkenmond schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er ist ein Schauspieler, der Graf Brass sehr ähnlich sieht. Aber er ist nicht Graf Brass – weder lebend noch tot –, dessen bin ich mir fast sicher. Erstens ist er zu jung. Und er wurde nicht ausreichend in seine Rolle eingewiesen. Er kennt nicht einmal den Namen seiner Tochter. Er weiß nichts über die Kamarg. Aber fast genauso sicher bin ich mir, dass nichts Böses in ihm selbst ist. Er mag besessen sein, doch eher denke ich, man hat ihn hypnotisiert, zu glauben, er sei Graf Brass. Vermutlich stecken ein paar der nichtbekehrten Schurken des Dunklen Imperiums dahinter, die meinen Ruf morden und sich so an mir rächen wollen.«
Vedla wirkte ungemein erleichtert. »Jetzt kann ich diesen Klatschbasen wenigstens das Maul stopfen«, brummte er. »Aber dieser Bursche muss eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem alten Grafen haben, wenn er Czernik so täuschen konnte.«
»Ja – er hat sogar dieselben Manieren – Gesten, Ausdruck. Aber sein Benehmen scheint mir irgendwie unwirklich zu sein – er ist wie ein Träumer. Deshalb schließe ich auch, dass er nicht von sich aus Böses beabsichtigt, sondern von anderen benutzt wird.« Falkenmond erhob sich.
»Wo ist dieser falsche Graf Brass jetzt?« fragte Yisselda.
»Er verschwand in der Marsch. Ich folgte ihm, als mir das passierte.« Falkenmond lachte schwach. »Ich war schon so durcheinander, weißt du, dass ich einen Augenblick tatsächlich glaubte, er sei verschwunden – wie ein Geist.«
Yisselda lächelte. »Du kannst mein Pferd nehmen. Ich werde mich zu dir setzen, und wir werden so reiten, wie wir es schon oft getan haben.«
Erleichtert kehrte die kleine Gruppe in die Burg zurück.
Am nächsten Morgen machte die Geschichte von Dorian Falkenmonds Begegnung mit dem »Schauspieler« die Runde durch die ganze Stadt und kam auch zu Ohren der ausländischen Gäste in der Burg. Sie wurde zum Witz. Jeder war so froh, darüber lachen, sie erwähnen zu können, ohne Falkenmond dadurch zu beleidigen. Jetzt wurde das Fest erst wirklich zu dem, was es früher immer gewesen war, und je wilder der Wind blies, desto wilder wurde auch die Fröhlichkeit. Da er nun nichts mehr für seine Ehre zu befürchten hatte, beschloss Falkenmond, den falschen Grafen einen oder zwei Tage warten zu lassen, und sich erst einmal so richtig mit den anderen zu vergnügen – denn das hatte er sich verdient!
Doch dann, eines morgens beim Frühstück, während Falkenmond und seine Gäste Pläne für den Tag machten, kam der junge Lonson von Shkarlan mit einem Brief in der Hand an den Tisch. Viele Siegel trug der Umschlag, und so wirkte er ungemein wichtig. »Er wurde soeben abgegeben, mein Lord«, erklärte der junge Prinz. »Ein Ornithopter brachte ihn von Londra. Er ist von Königin Flana persönlich.«
»Neuigkeiten von Londra! Wie schön!« Falkenmond nahm den Brief und brach die Siegel. »Setzt Euch, Prinz Lonson, und stärkt Euch, während ich lese.«
Prinz Lonson lächelte. Er setzte sich auf Yisseldas Aufforderung neben die Burgherrin und nahm sich von der großen Platte neben ihm ein dickes Steak auf
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