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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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deinem Zimmer, und was macht sie? Hört mich brüllen und kommt sofort angerannt! Als ob's das erste Mal wäre! Blöde Kuh!«
    Die Tochter hatte alle Selbstsicherheit eingebüßt und starrte auf ihre Füße. Zum zweiten Mal an diesem Tag sah ich ein weinendes Kind vor mir.
    Reemund behagte der Anblick offenbar garnicht. Er wirkte einmal mehr wie jemand, der gleich mit Möbeln schmeißt.
    »Und dann ist Ihr Mann gegangen?«
    »Ja.«
    »Wann war das?«
    »Gegen vier.« Sie griff nach der Handtasche neben der Couch und kramte eine Tablettenpackung heraus.
    Reemund starrte auf die Schachtel, runzelte die Stirn und riss sie der Frau aus den Händen.
    »Diazepam? Seit wann nehmen Sie das denn?«
    Die Frau zuckte die Schultern.
    »So seit zwei Monaten.«
    Wedelbeck verschluckte sich.
    »Zwei Monate«, sagte er, als er wieder zu Atem kam. »Welcher Arzt verschreibt das denn für so lange?«
    Reemund drehte die Packung zwischen den Fingern und sah die Frau aufmerksam an.
    »Sagen Sie, als die Sendung über Sie gemacht worden ist, gabs doch bestimmt jemanden, der Vorbesprechungen mit Ihnen gemacht hat?«
    »Hä?«
    »Jemand, der Sie hier besucht und alles abgesprochen hat?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie noch, wie der hieß?«
    »Na der Tote. Der andere«, erklärte die Frau unwirsch. »Der Junge da. Geben Sie mir jetzt meine Tabletten zurück?«
    Reemund legte den Kopf schief.
    »Das war zur gleichen Zeit, als Sie mit dem Diazepam angefangen haben, oder?«
    Die Frau sah ihn wütend an.
    »Müssen Sie eigentlich hier sein? Mein Mann ist tot! Und Sie kommen mir mit so einem dummen Scheiß!«
    Wedelbeck stand auf.
    »Danke, das ist alles, was wir jetzt wissen wollten. Wenn wir noch weitere Fragen haben, melden wir uns. Nochmal, unser herzliches Beileid.«
    Auch Reemund war aufgestanden.
    Er beugte sich über den Tisch, warf der Frau die Schachtel in den Schoß und sagte mit einer Stimme, die vor unterdrückter Wut knarrte: »Als Ihre Tochter aus ihrem Zimmer kam, hat sie versucht, Ihnen zu helfen, Sie dämliche, undankbare, selbstgerechte Kuh!«
    *
    Als sie wieder auf der Treppe standen, fragte Wedelbeck: »Glauben Sie, die beiden haben was mit dem Mord zu tun?«
    »Quatsch.«
    »Sie halten also an Ihrer Moralischer-Serienmörder-Theorie fest?«
    »Natürlich.«
    »Sagen Sie, was Sie wollen, bei dieser ganzen Geschichte geht es irgendwie um Stoff. Sie glauben doch auch, dass Medchenwunder ihr das Diazepam besorgt und wahrscheinlich bis zu seinem Tod weiter geliefert hat.«
    »Kann sein, muss aber nicht«, knurrte Reemund.
    Wedelbeck verdrehte genervt die Augen.
    »Wissen Sie, es kommt der Tag, da werde ich Sie einfach niederschießen.«
    »Wenn das so weiter geht, wäre ich Ihnen dafür dankbar. Aber zielen Sie bitte anständig, wenn es soweit ist.«
    »Sie sind schon ein bisschen sentimental heute?«
    »Schnauze, Wedelbeck!«
    * * *

KAPITEL 14 - DENKEN
DENKEN: Das Denken bezeichnet (ebenso wie der Verstand) den einen vergleichsweise formalen Faktor der Erkenntnis und drückt eigentlich die Grundfunktion derselben aus, die aber nur in Anwendung auf die Materie der Sinnlichkeit wirkliche Erkenntnis schafft; insofern ist D. und Erkennen wohl auseinander zu halten.
    (Brockhaus' Konversationslexikon, 14. Auflage, Leipzig, 1898)
    Aus irgendeinem Grund ist es so etwas wie Tradition für jeden Geist, der nicht in Venedig von seinem Körper befreit worden ist, die Stadt einmal zu besuchen. Ich kann beim besten Willen nicht erklären, warum das so ist, aber wir alle waren schon mal da. Deshalb gibt es in der Stadt so viele Tauben, aber das muss ich wahrscheinlich genauer erklären.
    Eine ganze Reihe von Tierarten sind in der Lage, menschliche Geister zu spüren, allerdings reagieren sie sehr unterschiedlich darauf. Fische weichen uns aus, Wespen und Hornissen macht unsere Präsenz aggressiv. Tauben hingegen — übrigens fast die einzige Vogelart, die uns wahrnimmt — reagieren vollkommen anders: Sie fühlen sich von uns angezogen. Tauben sind ein probates Mittel für Menschen, die Anwesenheit eines Geistes zu verifizieren. Wenn sie im Schwarm auf dem Boden herum tapern und sich dann kollektiv in die Luft erheben, nur um ein paar Meter weiter wieder herunter zu kommen, befindet sich meist ein menschliches Gespenst in der Nähe, das erfolglos versucht, die Viecher abzuschütteln.
    Vielleicht hat sich die obligatorische Reise nach Venedig gerade deshalb als Tradition in unsere Nachlebenspläne eingefügt. Als harte Schule, in der man Tauben

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