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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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den Klugen wird sowas schnell zur Gewohnheit. Das kommt vom Mobbing in der Schule.«
    »Und warum tun Sie so, als wären Sie Teilchenphysiker?«
    »Quantenphysiker. Ganz einfach, weil ich es bin.«
    »Sie sehen aber nicht wie einer aus.«
    Der Obdachlose hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Wie sehen denn Quantenphysiker aus?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich so wie Sie. Vielleicht stinken sie weniger. Und ihre Katzen haben sie auch nicht immer dabei.«
    »Ich bin eben nicht nur Quantenphysiker, sondern auch ohne Bleibe. Das kommt vor.«
    »Wie sind Sie auf der Straße gelandet?«
    »Das erzähle ich Ihnen mal, wenn der Tag so richtig widerlich ist. Aber Sie lenken ab.«
    Reemund seufzte.
    »Was soll ich sagen? Es ist einfacher, so zu sein wie ich. Hier. Ihre Cola.«
    Er hatte aus einer Plastiktüte, die neben ihm stand, eine neue Dose herausgefischt. Wassermann nahm sie dankend entgegen und steckte sie in eine der Manteltaschen.
    »Das ist nur die halbe Antwort, Herr Kommissar. Wenn überhaupt eine.«
    »Sie sind auch nicht wirklich redselig, wenn es um Ihre Geschichte geht.«
    Ein Zug fuhr ein. Türen öffneten sich und ein ganzer Strom von Menschen quoll schubsend und drängelnd aus ihm heraus. Andere zwängten sich hinein. Bis auf ein paar halbherzig hingeworfene Flüche nahmen die Leute die gegenseitigen Grenzverletzungen jedoch klaglos hin. Der Zug fuhr wieder an.
    »Vielleicht haben Sie ja wenigstens Lust, mir zu sagen, warum Sie hier so trübsinnig herumsitzen?«
    Reemund trank mit einem großen Schluck seine Dose aus, knüllte sie zusammen und warf sie ungelenk in Richtung eines Mülleimers, den er knapp verfehlte.
    »Das ist ein weites Feld. Aber das Wichtigste ist, dass ich diesen Fall nicht verstehe. Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Ahnung richtig ist. Aber es passt alles nicht zusammen, und ich bin wie vernagelt.«
    Die Katze auf Wassermanns Schulter streckte sich. Ihr Schwanz zuckte leicht, und sie gähnte. Dann gab sie ein leises Miauen von sich und schlief weiter. Ihr Besitzer kraulte sie unterm Kinn.
    »Wissen Sie, was ich früher gemacht habe, wenn ich mit meiner Arbeit nicht weiter kam? Ich hab versucht, es meiner Frau zu erklären. Sie hatte keine Ahnung von Physik, aber sie saß da und hörte mir zu. Ich war also gezwungen, alles ganz von vorn zu erzählen. Stück für Stück. Am Ende hatte sie es zwar immernoch nicht verstanden, aber der Knoten in meinem Kopf war weg. Jedes Mal. Wie wäre es? Ich bin ein guter Zuhörer.«
    »Wo ist Ihre Frau jetzt?«
    »Da, wo Sie nicht sein sollte. Ende des Themas. Geben Sie mir eine Chance, auch mal was für Sie zu tun, Herr Kommissar.«
    Reemund sah seinen Gesprächspartner einen Moment lang stumm an, dann fing er an zu erzählen, erst stockend, dann immer flüssiger. Er erzählte von dem ersten Mord, von seiner Überzeugung, dass jemand, der so etwas tut, nicht einfach aufhören kann, davon, wie er einen zweiten Mord erwartet hatte, der aber, als er dann geschehen war, nicht zur Logik eines Serienmörders passen wollte, weil er schlampiger ausgeführt war. Der dritte Mord schien nun endgültig aus dem Rahmen zu fallen.
    »Ein Serienmörder, der immer mehr zum Anfänger wird? Das ist doch Blödsinn!«
    Mir, der ich den Stand der Ermittlungen genau kannte, konnte der ungeordnete Redeschwall des Kommissars nichts anhaben, aber ich war fest davon überzeugt, dass sein Zuhörer nicht hatte folgen können. Doch ich irrte mich. Quantenphysik ist eben Quantenphysik. Als Reemund fertig war, nickte Wassermann.
    »Wissen Sie«, sagte er, »ich habe nach dem Mord an Koss die Zeitungsmeldungen verfolgt. Sie sind übrigens ausgesprochen unfotogen.«
    »Ich war besoffen.«
    »Das könnte eine Erklärung sein. Gehen Sie trotz der offensichtlichen Widersprüche wirklich davon aus, es hier mit einem Serienmörder zu tun zu haben?«
    »Wenn Sie den ersten Tatort gesehen hätten, die genaue, kalte Planung, die Berechnung …«
    »Aber Sie haben nicht geglaubt, dass der, wie hieß er, Meyer der Mörder war?«
    Reemund schüttelte den Kopf.
    »Nein. Bei dem Versuch, Meyer als Koss' Mörder hinzustellen, hat der Täter jede Menge gravierender Fehler gemacht.«
    Reemund nahm sich eine weitere Coladose aus der Tüte, machte sie auf und trank.
    Wassermann zuckte mit den Achseln.
    »Kann es sein, dass Sie eine Möglichkeit noch nicht bedacht haben?«
    »Und welche soll das sein?«
    »Vielleicht stimmt es ja, dass jemand, der so erfolgreich und öffentlichkeitswirksam mordet,

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