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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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Die Kleine erlitt durch die Raserei ihres Vaters wahrscheinlich einen ebenso großen Schock, wie ihn ihr der Anblick von Meyers verstümmelter Leiche beschert hätte. Wie ein Rugbyspieler in Ballbesitz stürmte Reemund vorwärts und warf dabei einen Pressemann mit gezückter Kamera um, sowie drei Uniformierte, die große Mühe hatten, die vielen Schaulustigen auf Abstand zu halten. Auf die wenigstens hatte Reemunds Gebaren deutlich Wirkung. Sie rannten schreiend auseinander, als hätte er kein Kind vor sich, sondern eine Kettensäge. Mit einem lauten Geräusch riss das Absperrband, doch der Kommissar blieb immernoch nicht stehen. Erst, als er schon fast bei der S-Bahn-Station angelangt war, bremste Reemund seine Schritte und stellte schließlich das Kind vor sich ab. Belinda zitterte und schluchzte. Er hechelte. Dann nahm er sie in die Arme und drückte sie fest an sich. Belinda war zunächst starr vor Schreck, dann krallte sie sich an Reemund fest und weinte so hemmungslos, wie ich noch nie ein Kind habe weinen sehen.
    »Wie kommst du hierher?«, fragte er irgendwann.
    »Ich bin in die Keithstraße gefahren«, antwortete die Kleine, unterbrochen von heftigem Schluchzen. »Da haben sie gesagt, du bist hier draußen.«
    Einen Moment später erschienen Wedelbeck und seine Kollegin Schilling.
    Reemunds Stellvertreter sah übel aus. Er hatte sich, vermutlich bei dem Sturz, seinen Kaffee über das helle Hemd gegossen und die schlammige Pfütze, in die er gefallen war, hatte dem Anblick den letzten Schliff gegeben. Außerdem humpelte er. Simone Schilling ging um Reemund herum und nahm ihm behutsam seine Tochter ab. Immerhin heulte sie nicht mehr.
    »Komm, meine Kleine. Hier ist was ganz Furchtbares passiert. Und dein Papa muss rausfinden, was, und wer Schuld daran hat. Deswegen müssen wir ihn jetzt weiter arbeiten lassen.«
    Belinda sah sie an, dann Reemund, der nichts sagte, aber immerhin nickte. Die Polizistin setzte das Kind behutsam ab und nahm es an die Hand.
    »Weißt du was? Wir rufen jetzt Deine Mama an, und dann fragen wir einen der Streifenpolizisten, ob er dich nach Hause fährt, in Ordnung?«
    Dabei strahlte die Kommissarin selbst so viel mütterliche Wärme aus, dass ich mir sicher war, auch Reemund und Wedelbeck hätten sich in diesem Augenblick gern von ihr an die Hand nehmen lassen, um ein bisschen spielen zu gehen. Mir jedenfalls war danach. Auch auf Belinda machte sie ausreichend Eindruck. Das Mädchen nickte, drehte sich zu seinem Papa um und winkte zum Abschied. Er winkte zurück, verlegen und hölzern.
    Die beiden Damen waren schon einige Schritte gegangen, als die Ältere sich noch einmal zu Wedelbeck umdrehte.
    »Turm nach D8. Schachmatt.«
    Der Angesprochene biß sich auf die Unterlippe, schloss die Augen und schüttelte resigniert den Kopf.
    »Kaffee steht Ihnen nicht, Wedelbeck«, sagte Reemund.
    »Sie sind ein Idiot.«
    »Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass Sie sich bessere Wörter einfallen lassen sollen?«
    Wedelbeck breitete die Arme aus.
    »Quadratarsch? Egomaner Drecksbulle? Vollkoffer?«
    »Na also! Wird doch! Kommen Sie. Wir hatten was vor.«
    »Wir können doch nicht in dem Aufzug einer Frau vom Ableben ihres Mannes erzählen.«
    »Und ob wir das können. Und finden Sie bitte raus, wer bei uns so bescheuert war, meiner Tochter die Adresse eines Tatortes zu geben.«
    *
    »Wollen Sie Kaffee?«, fragte die Frau des Ermordeten, ohne die beiden Ermittler anzusehen oder sich sonst irgendwie zu rühren.
    Ihr Gehirn schien fast zur Gänze abgeschaltet zu haben. Nur der kleine Teil mit den Höflichkeitsfloskeln arbeitete autark und völlig sinnlos vor sich hin wie ein Anrufbeantworter.
    »Es ist furchtbar.«
    Neben ihr saß die Tochter mit dem unglücklichen Namen Jennifer, hatte den Arm um ihre Mutter gelegt und starrte dumpf den Tisch an. Reemund japste nach Luft. Der Fahrstuhl war immernoch oder schon wieder kaputt gewesen.
    »Wir möchten Ihnen zunächst unser tiefes Mitgefühl aussprechen«, sagte Wedelbeck, wobei er die beiden Frauen, die angehende und die welkende ansah, als hätte er Zweifel an der Notwendigkeit zum Trost. Die Ältere wies deutliche Spuren frischer Schläge auf, und die Tochter hatte eine auffällig gekrümmte Körperhaltung. Reemund hatte seinen Blick auf das Mädchen gerichtet. Als die Kleine das merkte, schaute sie auf und schenkte ihm jenen Blick, der mir schon damals im Präsidium einen eiskalten Schauer über den nicht vorhandenen Rücken gejagt hatte.
    »Er hat

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