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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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Sie wieder geschlagen?«, fragte Wedelbeck. Die Frau senkte den Kopf, als könne man ihr Veilchen so nicht sehen.
    »Ja«, antwortete das Mädchen an ihrer Stelle.
    »Jennifer!«, fuhr sie ihre Mutter an.
    »Was denn? Kann doch jeder sehen bei dir.«
    Es hatte wieder angefangen zu regnen und die Tropfen schlugen lautstark gegen die Fenster, was dem Gespräch eine ihm nicht zustehende Melodramatik verlieh.
    »Und was ist mit dir?«, fragte Reemund, der zum ersten Mal, seit die Polizisten hier waren, überhaupt etwas sagte.
    Anstatt zu antworten, zog Jennifer ihren Kapuzenpullover bis zu den Achseln hoch und sah den Hauptkommissar dabei mit einem Blick an, als wisse sie ganz genau, warum der geile alte Bock danach gefragt hatte.
    Unter den noch beinahe kindlichen Brüsten prangte ein gewaltiger blauer Fleck neben einer ganzen Reihe älterer und verblasster Hämatome. Wedelbeck sog scharf die Luft ein. Mir blieb vor Schreck der Mund offen stehen, und Reemund sah dermaßen grimmig aus, dass ich mir gut vorstellen konnte, wie er jetzt aufsteht, zum Tatort zurückeilt und unter den erstaunten Blicken seiner Kollegen mit Meyers abgetrenntem Kopf Fußball spielt.
    »Danke, das reicht«, knurrte er stattdessen. »Es ist kalt hier.«
    »Wie ist mein Vater gestorben?«, fragte das Mädchen, während es den Pullover wieder herunterzog.
    »Das musst du nicht wissen«, fauchte ihre Mutter.
    »Er ist ermordet worden«, sagte Reemund, der sich ausschließlich auf Jennifer konzentrierte. »Man hat ihm mit einem Stein den Schädel eingeschlagen und dann den Kopf abgesägt. Keine Ahnung, ob er da schon tot war.«
    »Reemund!« Wedelbeck schüttelte empört den Kopf. Die Mutter hielt sich die Hände vors Gesicht und jammerte leise.
    »Warum den Kopf?«, fragte die Tochter. Sie schien recht gefasst. »Wenn ich das gemacht hätte, hätte ich die Hände und die Füße genommen. In seinem Kopf war doch nichts drin.«
    Reemund beugte sich vor.
    »Es ist der Kopf«, antwortete er, die Augen fest auf das Mädchen gerichtet. »Es ist immer der Kopf. Die Ursache allen Übels. Und der einfachste Weg, dem ein Ende zu bereiten, ist, ihn abzuschneiden.«
    »Also Sie finden's richtig?« Irrte ich mich, oder schwang in Jennifers Stimme so etwas wie die Bitte um Bestätigung mit?
    Reemund lehnte sich wieder zurück und zerriss damit das dünne Band, das für kurze Zeit zwischen den beiden entstanden war.
    »Nein. Das ist nur feige, weiter nichts.«
    »Und wenn derjenige es verdient?«
    Reemund lächelte. »Wenn man erstmal anfängt, so zu denken, kann man irgendwann nicht mehr aufhören. Wenn du lange genug hinschaust, findest du bei jedem einen Grund. Bei Mördern, Vergewaltigern oder Leuten wie Deinem Vater sieht man es bloß schneller.«
    »Und was ist dann richtig?«
    »Für dich? Keine Ahnung, aber jedenfalls nicht das.«
    »Frau Meyer«, sagte Wedelbeck. »Könnten Sie uns genau beschreiben, wie der Tag bis zu unserem Eintreffen abgelaufen ist?«
    Die Frau überlegte kurz.
    »Da war nichts Besonderes.«
    Ihre Tochter stieß sie in die Seite.
    »Wir sind alle zu Hause geblieben heute. Das Foto von Hans war ja in der Zeitung, und er wollte nicht mehr gesehen werden.«
    Jennifer starrte schweigend vor sich hin.
    »Irgendwann ist er ins Bad gegangen und hat die Tür abgeschlossen. Da war noch eine Flasche. Er ist eine Stunde drin geblieben. Dann kam er wieder raus.«
    Ihre Stimme drohte zu versagen, aber Reemund ließ nicht locker.
    »Was dann?«
    »Ich hab ihm gesagt, er soll nicht mehr trinken. Ich hab Essen gekocht und das sollte er essen und dann sollte er schlafen. Aber er wollte eine neue Flasche kaufen gehen. Ich wollte ihn nicht raus lassen. Ich hab ihm gesagt, dass wir doch alle da sind für ihn und dass Jennifer ihren Vater braucht. Und da …«
    »Und da meinte er, dass das alles garnicht passiert wäre, wenn Sie nicht weggelaufen wären?«
    Sie nickte.
    »Und Sie denken wahrscheinlich, er hatte recht, und das er Sie geschlagen hat, das haben Sie verdient?«
    Sie nickte und Reemund seufzte.
    »Und was war es bei dir?«, fragte Wedelbeck die Tochter.
    »Mama hat mir gesagt, ich soll mich in mein Zimmer einschließen, wenn Papa aus dem Bad kommt. Das hab ich früher manchmal so gemacht. Und da sollte ich drin bleiben.«
    Allmählich wurde auch ihre Stimme brüchig. Dafür fand die Mutter zu ihrer gewohnten Lautstärke zurück.
    »Wärst du mal geblieben, wo du warst, du dumme Gans! Das geschieht dir ganz recht! Da sag ich noch, bleib in

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