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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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ausgestreckt vor dem Stuhl. Da, wo eigentlich der Halsansatz hätte sein müssen, gab es nur noch blutigen Matsch, der sich links und rechts auf einer dünnen Spur ca. 2m in beide Richtungen ausdehnte.
    Reemund und Wedelbeck standen ein paar Meter abseits und betrachteten etwas, das auf dem Boden lag und verdächtig wie ein Kopf aussah. Daneben kniete ein Mann und dozierte, während die beiden Beamten gereizt in ihre Kaffeebecher pusteten.
    »Ich bin natürlich kein Experte, aber ich denke, Folgendes hat sich abgespielt: Ihr Opfer sitzt da auf dem Stuhl und trinkt. Sein Mörder kommt von hinten mit einer Kettensäge und einem schweren Stein. Den zieht er ihm über den Schädel. Daher hier die große Wunde am Hinterkopf, sehen Sie?«
    »Wir sehen«, sagte Wedelbeck.
    »Das Opfer fällt also nach vorn. Wehrlos, vielleicht sogar ohnmächtig. Der Mörder tritt vor, stellt vorsichtshalber seinen Fuß auf den Rücken des Opfers, damit es nicht weg kann. Den Fußabdruck kann man da hinten auf dem Körper deutlich erkennen. Dann macht er eine Kettensäge an und zieht einmal am Hals von links nach rechts durch. Das Absägen des Kopfes geht recht schnell. Nebenbei bemerkt sägt er ein Stück Unterkiefer ab. Sie finden es über die ganze Spur dort verteilt, und wie Sie sehen können, fehlt es hier.«
    Wedelbeck nickte wortlos.
    »Das Erdreich ist aufgewühlt. Vielleicht war da ein Stein, und die Säge ist abgerutscht. Die Wucht schleudert den Kopf hier rüber, wo er liegen bleibt. Das alles kann nicht länger als eine Minute gedauert haben. Dann nochmal eine, die Säge wieder einzupacken und weg war er.«
    Schweigen trat ein. Der kniende Mann, in dem ich ein Mitglied der Spurensicherung erkannte, sah die beiden Polizisten erwartungsfroh an, als habe er sich ein dickes Lob verdient.
    »Haben Sie den Mann umgebracht?«, fragte ihn Reemund.
    Der Mann zuckte zurück.
    »N … Na … Natürlich nicht.«
    »Was gucken Sie dann so stolz? Ich hab Hunger. Ich will eine Bulette.«
    Wedelbeck, für den wohl gerade nicht der beste Moment war, um an Hackfleisch zu denken, bedankte sich bei dem eifrigen jungen Mann und wandte sich ab.
    »Kotzen Sie mir nicht auf die Hose«, knurrte Reemund. »Ich hab grad keine andere.«
    Mir selbst war auch nicht nach Feiern zumute, allerdings aus einem anderen Grund. Der Geist war nicht da.
    Er hätte doch hier sein müssen, in der Nähe des Kopfes, oder wenigstens in der Nähe des Tatortes, aber ich konnte ihn nirgendwo entdecken.
    Mist. Ich hatte einen Wanderer erwischt. Das sind Neugeister, die genauso orientierungslos sind, wie alle anderen, aber durch eine unerklärliche Kraft in Bewegung gehalten werden.
    Normalerweise hätte mich das nicht weiter kümmern müssen, aber ich hatte mir nunmal eine Aufgabe gestellt, und in deren Rahmen erschien es mir einfach falsch zu sein, mich nicht genauso um Meyer zu bemühen, wie um die anderen. Ganz egal, wie unsympathisch er mir als Lebender gewesen war. Aber wo sollte ich ihn suchen? Ich wusste nichts über Wanderer. Meyer konnte überall sein, theoretisch sogar auf direktem Weg zum Mond oder zur Sonne. Es gab nichts, was ich tun konnte. Also beschloss ich, mich weiter den beiden Polizisten zu widmen.
    »Wir hätten Meyer beobachten lassen müssen«, sagte Wedelbeck.
    »Hat jemand mit seiner Frau geredet?«
    »Meines Wissens nicht. Wenn wir jetzt fahren, sind wir in fünf Minuten da.«
    Die beiden wollten sich gerade auf den Weg machen, als aus Richtung der S-Bahn-Station bei den Hochhäusern ein Kind angelaufen kam. Belinda!
    Sie rief »Papa! Papa!« und freute sich offenbar wie eine Schneekönigin, dass ihr eine Überraschung gelungen war.
    Und das war sie wirklich.
    Reemund entgleisten die Gesichtszüge. Er ließ seinen Kaffee fallen, warf einen kurzen Blick nach hinten auf Meyers grausam entstellten Kopf, einen nach links auf den Rest des Toten und rannte los, auf sein Kind zu, mitten durch mich hindurch. Das Gleiche versuchte er bei Wedelbeck, den es daraufhin einen guten Meter weit zur Seite schleuderte.
    Als Reemund seine Tochter erreicht hatte, die offensichtlich davon ausging, dass sich ihr Vater bereitwillig in ihre ausgebreiteten Arme stürzen würde, packte er sie unter den Achseln und rannte weiter in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    »Weg! Weg! Weg! Weg! Was willst du hier! Verschwinde! Ich will dich hier nicht sehen! Tu das nie wieder! Hau ab! Hau ab!«
    Das waren die Grundbausteine des Gebrülls, dass er auf Belinda herab prasseln ließ.

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