Der Weg zur Hölle
wollte bestrafen, zwei offensichtlich schlechte Väter: Koss und Meyer. Und das ist entscheidend. Koss aus Rache. Aber wenn Meyer nicht noch auf andere Weise in das Leben von Koss verwickelt war, hat unser Täter da bereits entschieden, dass er das Recht hat, zu richten. Wie lange glauben Sie, wird es dauern, bis er dem nächsten begegnet, der es verdient hat, eingesperrt oder hingerichtet zu werden?«
»Pure Spekulation!«
Reemund schlug mit beiden Händen auf den Tisch, doch bevor er noch etwas sagen konnte, hatte sich Simone Schilling in das Gespräch eingeklinkt.
»Nicht ganz«, sagte sie und aller Blicke richteten sich auf sie. »Ich war vorhin in der Gerichtsmedizin, und da gibt es einiges, dass diese Theorie unterstützt. Meyer und Koss wurden wahrscheinlich mit derselben Säge enthauptet. Es gibt bei beiden auffallend ähnliche Muster in Haut, Muskeln und Knochen. Die Spuren bei Medchenwunder sind anders. Dazu kommt noch ein Punkt, der deutlich darauf hinweist, dass das Mordwerkzeug nur beim ersten und dritten Mord identisch war. An Meyers Halsansatz wurde getrocknetes Blut gefunden. Ein Plättchen, vielleicht zwei Zentimeter groß. Wir vermuten, dass es am Sägeblatt geklebt und sich gelöst hat. Die DNS ist identisch mit der von Eduard Koss. Wir können also als gesichert betrachten, dass Koss und Meyer mit derselben Säge ermordet worden sind, nicht aber Medchenwunder. Darum halte ich es auch für wahrscheinlich, dass es zwei Täter sind.«
Wedelbeck rieb sich das seit Tagen nicht mehr rasierte Kinn. »Aber das alles sagt uns noch nicht, wer die beiden Täter sind. Und ob sie gemeinsam oder unabhängig voneinander operieren. Es sagt uns erst recht nicht, dass Evelyn Koss ihren Vater umgebracht hat.«
»Kennen Sie das Falsifizierungsprinzip Wedelbeck? Eine wissenschaftliche Theorie muss immer so formuliert sein, dass man sie widerlegen kann, sonst ist es keine.«
»Ich wusste garnicht, dass Sie sich für Wissenschaft interessieren.«
»Oh, ich entwickle allmählich eine Liebe zur Teilchenphysik. Also los. Finden Sie die kleine Koss, und beweisen Sie mir, dass ich Schwachsinn rede.«
Die Kollegen blieben Reemund den Beweis schuldig, denn Evelyn Koss war verschwunden. Darüber wurde es Abend. Man bereitete sich allmählich darauf vor, den Tag in Resignation zu beenden. Immer öfter sah jemand verstohlen auf eines der zahlreichen Telefone, wahrscheinlich in Erwartung der Nachricht, dass es einen neuen Tatort gebe.
Irgendwann kam Bella Weilandt mit einem Zettel in der Hand. Sie war aufgeregt.
»Ich hab hier was. Koss' Ehefrau besaß zu Lebzeiten ein kleines Grundstück am nördlichen Stadtrand, in der Nähe von Schildow.«
»Und?«, fragte Wedelbeck.
»Wie es aussieht, gibt es da auch ein kleines Häuschen. In einem Naturschutzgebiet. Wir haben es bisher nicht gefunden, weil es eigentlich den Kindern vererbt worden war. Aber nach den Informationen unserer Kollegen aus der zuständigen Dienststelle wurde es ausschließlich von ihm benutzt. Das wissen die daher, dass es vor ein paar Jahren mal eine Beschwerde von Anwohnern der Nachbargemeinde gab. Jemand hatte in der Gegend eine Motorsäge benutzt.«
Die anderen Beamten horchten auf.
»Keiner hat etwas gesehen, aber das Geräusch haben sie erkannt. Für die Leute war das Grund genug, die Polizei einzuschalten. Dabei kam Folgendes raus: Eduard Koss besaß eine ganze Kollektion von Kettensägen. Er sammelte die Dinger und bewahrte sie da draußen in einem Schuppen auf. Und weil er zu faul war, sein Feuerholz mit der Axt zu zerkleinern, hat er eben eine von denen benutzt.«
»Wer sammelt denn Kettensägen?«, fragte Oberkommissarin Schilling.
»Wer ist Fernsehpsychologe?«, konterte Reemund.
Nöhl trat ins Zimmer.
»Ich hab auch was! Vor ein paar Minuten hat Simmons' Sekretärin angerufen. Er wär nicht zu einem Termin erschienen, und das sei nicht seine Art. Weil doch schon zwei Leute aus der Firma abgemurkst worden sind, hat sie gedacht, sie ruft uns besser an.«
Reemund fluchte. Wedelbeck hob beschwichtigend die Hände.
»Vielleicht hat er einfach zu lange gekokst und gesoffen. Vielleicht hat der Tod seines Freundes seine Gewohnheiten verändert. Vielleicht …«
»Vielleicht ist unser inzwischen auf den Geschmack gekommener Serientäter gerade dabei, ihn umzubringen. Und vielleicht tut er das in einem abgelegenen Häuschen im Wald. Also los, fahren wir!«
* * *
KAPITEL 16 - KETTENSÄGEN
KETTENSÄGE: bes. bei der Holzfällung u. in
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