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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Beck
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musste mich nicht anstrengen, um seine Worte zu verstehen. »Du weißt vielleicht noch nicht, wer du bist, Eddie, aber ich weiß es. Und deshalb weiß ich auch, dass du durch diesen Sturm gehen sollst. Du bist nicht dazu geschaffen, hier in dem Maisfeld zu stehen. Da wartet noch so viel auf dich, und du bist jede Unze davon wert.«
    Ich schluckte schwer, glaubte ihm nicht. »Ich kann nicht, Russell. Ich bleibe einfach hier stehen und warte, bis der Sturm vorübergezogen ist. Hier bin ich sicher.«
    Da war auf einmal ein Funkeln in seinen Augen. Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, du hast da etwas missverstanden, Eddie. Dieser Sturm wird niemals vorüberziehen. Das kann er nicht. Er ist dein Geschöpf. Außerdem soll das Leben gar nicht sicher sein. Wir entwickeln uns erst durch unsere Fehler und Irrtümer weiter. Wir wachsen an ihnen und vermögen durch sie erst wirklich zu leben. Aber mit einer Sache hattest du recht. Das dort ist der Weg nach Hause. Der einzige Weg nach Hause. Und du wirst es schaffen. Glaub mir. Hab Vertrauen in dich selbst, in den Menschen, der du wirklich bist.«
    »Wer bin ich denn schon?«, fragte ich abfällig. Ich schämte mich der Wahrheit. »Ich bin niemand. Ich habe all denen, die mich jemals geliebt haben, wehgetan.«
    »Manchmal besteht der schwerste Teil der Reise darin, daran zu glauben, dass man es überhaupt wert ist, sie zu unternehmen.«
    Bin ich es denn wert , fragte ich mich im Stillen.
    Ich schaute noch einmal zu Russell auf. Sein Blick war fest und erfüllt von grenzenloser Liebe. »Ja. Zweifellos. Ein unumstößliches Ja. Und jetzt geh nach Hause.«
    Ich wollte ja. Aber ich war so schwach. Und der Sturm so stark.
    »Vertrauen, Eddie. Der Reisende ist der Reise würdig. Und auch des Ziels. Du musst nur einen kleinen Schritt allein tun.«
    Der Sturm wirkte noch unheilbringender. Mein Blick verlor sich in seinem gewaltigen, brachialen Bauch. Vertrauen . Ich war es leid, schon wieder meinem eigenen Willen zu folgen – das hatte mich schließlich hierhergebracht. Aber ausnahmsweise wollte ich einmal das Richtige tun.
    Ich schloss die Augen, machte einen Schritt und befand mich mit einem Mal mitten im Sturm. Das Kreischen des Windes erfüllte meine Ohren. Ich hätte vor Angst beinahe laut geschrien, aber dann spürte ich, wie Russell mich an die Hand nahm. »Nur noch einen Schritt«, sagte er, und seine ruhige Stimme war viel mächtiger als der Sturm. Vertrauen .
    Mit geschlossenen Augen nahm ich all meine Kraft zusammen, um meine Füße vorwärtszuschieben.
    Stille.
    Ich öffnete die Augen. Wir befanden uns auf der anderen Seite des Sturms. Die Sonne schien uns in den Rücken, ihre goldenen Strahlen wurden von den bedrohlichen schwarzen Wolken zurückgeworfen. Es war so unglaublich ruhig, dass ich nur das Zwitschern der Vögel und das Rascheln der Blätter hören konnte. Was zuvor dunkel gewesen war, war nun hell, wohltuend und friedlich. Und warm.
    »Wo bin ich?« Ich blickte mich angesichts des farbenprächtigen Maisfelds, des Grases und des Himmels übermir, die einem Farbfilm entsprungen zu sein schienen, voller Staunen um. Das war die außergewöhnlichste und wundervollste Farbpalette, die ich jemals gesehen hatte. Ein naturgetreues Gegenstück des Maisfelds. Selbst die Farben kamen mir lebendig vor. Bin ich etwa im Himmel?
    Obwohl ich die Worte nur gedacht hatte, schüttelte Russell den Kopf. »Du befindest dich auf der anderen Seite des Sturms. Hier siehst du, was dich erwartet. Nicht erst nachdem du gestorben bist, sondern sobald du angefangen hast, wirklich zu leben.«
    »Das ist toll.« Ich sah ihn an. Er war nicht mehr dreckig und alt, sondern strahlte und schien kein erkennbares Alter zu haben. »Wer bist du wirklich, Russell?«
    Er lächelte. »Die eigentliche Frage lautet: Wer bist du? « Irgendwie begriff ich. Ohne den Sturm hätte ich nicht erkennen können, wer ich eigentlich bin.
    »Muss jeder durch den Sturm gehen?«
    »Früher oder später schon. Aber es ist noch niemals jemand darin verloren gegangen, der eine oder andere hat sich höchstens verirrt. Den meisten Menschen ist nicht klar, dass sie gar nicht gegen den Sturm ankämpfen müssen, Eddie, man muss lediglich aufhören, ihm Nahrung zu geben – aufhören, ihm Macht über einen selbst zu verleihen.«
    Ich schaute mich erneut um. Versuchte, mir die Gerüche, die Geräusche, diese Friedlichkeit, das Gefühl vonZufriedenheit und die Wärme einzuprägen. »Wenn ich nicht im Himmel bin, wo bin ich

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