Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
größeres Wohnhaus als er, sondern dazu noch einen Stall, zwei Schuppen und eine Unterkunft für das halbe Dutzend Vaqueros und die Peones, die für ihn arbeiteten. So ähnlich, hoffte Walther, würde seine Farm in zwei, drei Jahren ebenfalls aussehen.
Als er durch das Tor der Einfriedung ritt, vernahm er einen schrillen Pfiff. Sofort eilte Jemelin mit dem Gewehr in der Hand aus dem Haus, stellte die Waffe aber ab, als er Walther erkannte. Dieser stieg aus dem Sattel und drückte die Zügel einem herbeieilenden Knecht in die Hand.
»Buenos días!«,
grüßte er.
»Willkommen, Señor Waltero! Was führt Sie zu mir?« Jemelin übergab sein Gewehr einem seiner Leute und trat mit ausgestreckter Hand auf Walther zu.
Inzwischen war auch Jemelins Ehefrau Rosita aus dem Haus gekommen und sah Walther verwundert an. »Sie haben Ihre Frau allein zu Hause gelassen, obwohl hier wilde Horden von Komantschen herumstreifen? Ich würde mich zu Tode ängstigen und hätte zudem Sorge um meine Kinder!« Sie wies dabei auf das Mädchen und den Jungen, die, von einer Magd beaufsichtigt, in der Nähe spielten.
»Ganz allein ist Gisela nicht, denn Pepe ist bei ihr«, antwortete Walther.
Rosita, eine stämmige, vor Gesundheit strotzende Frau, schüttelte den Kopf. »Pepe wird ihr keine Hilfe sein. Der stirbt vor Angst, wenn er einen Komantschen auch nur von weitem sieht.«
»Rosita, jetzt mach Señor Waltero nicht bange«, wies ihr Mann sie zurecht und führte Walther ins Haus. »Sie sollten nichts auf das Gerede meiner Frau geben, mein Freund. So feige ist Ihr Peon auch wieder nicht. Ihre Frau ist zudem beherzt genug, einem wilden Indianer eine Kugel aufzubrennen!«
»Sorgen macht man sich natürlich«, bekannte Walther. »Aber wir siedeln nun einmal am Rande der Zivilisation.«
»Eher ein wenig darüber hinaus«, antwortete Jemelin lachend. »Die nächste Stadt ist San Felipe de Guzmán, und die liegt viele Meilen entfernt. Im Grunde ist der Ort nur ein größeres Dorf, und nicht anders ist es mit San Antonio de Bexár und den meisten Orten, die wir von hier aus erreichen können. In die Provinzhauptstadt brauchen wir zu Pferd schon drei Wochen und mit einem Wagen fast dreimal so lang.«
»Wir sollten in diesem Land Städte bauen, damit wir unsere Erzeugnisse verkaufen können«, erklärte Walther.
»Sicher, das müssen wir! Aber vorher sollten wir einen Tequila trinken.« Jemelin holte die Flasche aus einem Schrank. »Sie haben sicher auch Hunger«, meinte er dann zu Walther.
»Ein wenig schon«, antwortete dieser und nahm das Glas zur Hand.
»A su salud!«
Jemelin stieß mit ihm an und bat ihn, am Tisch Platz zu nehmen. »Meine Rosita backt gleich ein paar Tortillas mit Bohnen, Mais und Hackfleisch.«
Als Walther sah, dass die Frau die kleinen, scharfen Schoten, die hier so geliebt wurden, klein schnitt und in die Masse tat, mit denen die Tortillas gefüllt werden sollten, bedauerte er seinen Gaumen und seinen Magen. Ablehnen aber konnte er das Essen nicht, wenn er die Jemelins nicht tödlich beleidigen wollte.
Auch der Schnaps war scharf. Lieber hätte Walther Bier getrunken, doch das gab es in der ganzen Gegend nicht. Auch Wein war selten, weil er aus dem Süden in das Siedlungsgebiet gebracht werden musste. Bei diesem Gedanken erinnerte er sich an den Grund seines Kommens und sah Diego Jemelin scharf an.
»Wissen Sie, dass sich weiter im Norden Amerikaner angesiedelt haben sollen?«
»Es gibt im Land etliche Siedlungen der Americanos. Sie sind wie eine Pest, die sich überall ausbreitet. Deshalb hat die Regierung der Republik Mexiko auch den weiteren Zuzug aus den Vereinigten Staaten verboten.« Jemelin machte eine angewiderte Geste und fragte dann, woher Walther von diesen Amerikanern erfahren habe.
»Sie werden es nicht glauben, aber die Komantschen haben es mir erzählt.«
Jemelin lachte leise auf. »Und denen glauben Sie?«
»Das tue ich.« Walther tippte mit dem Zeigefinger in sein Schnapsglas und zeichnete in etwa den Flusslauf auf die Tischplatte. »Hier sind Sie und hier wir. Laut dem Komantschen müsste sich die Siedlung etwa hier befinden.«
Jetzt wurde Diego Jemelin nachdenklich. »Die Leute müssen den Behörden entgangen sein. Ich weiß nichts von ihnen, und ich schwöre beim Leben meiner Frau, dass Hernando und Ramón de Gamuzana es auch nicht wissen.«
»Wir sollten sie uns einmal anschauen«, erklärte Walther. »Die Amerikaner rücken unserem Siedlungsgebiet ziemlich nahe. Es ist kaum
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