Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
die Hand. »Danke, dass ihr gekommen seid!«
»Ein paar Soldaten hättet ihr ja für uns übrig lassen können«, maulte Ean O’Corra, einer der jungen Iren.
Sam Houston trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Bis dieser Krieg vorbei ist, wirst du noch genug mexikanische Soldaten sehen, mein Sohn, das verspreche ich dir.«
»Was ist mit den Mexikanern?«, fragte Gisela auf Deutsch.
»Denen haben wir eins auf die Hucke gegeben«, erklärte Andreas Belcher fröhlich.
Gisela war froh, jemanden zu sehen, mit dem sie sich in ihrer Muttersprache unterhalten konnte. Zwar verstand sie mittlerweile auch etwas Englisch, doch es war zu wenig, um ein Gespräch führen zu können. Sie sagte sich, dass die Männer nach dem langen Ritt hungrig sein würden, und wandte sich an Nizhoni.
»Der Tisch im Haus wird für so viele Leute nicht ausreichen. Wir werden daher im Freien essen müssen. Holst du ein paar Decken?«
Der Gedanke, dass ihre Helferin eben ein wildes Abenteuer erlebt haben und zu erschöpft sein könnte, kam ihr nicht.
Nizhoni war nicht der Mensch, sich mit ihrer Heldentat zu brüsten, sondern eilte ins Haus, um die verlangten Decken zu holen. Kurz darauf saßen die Austin-Siedler und die Männer aus dem French Settlement einträchtig zusammen, aßen und ließen mehrere Flaschen mit Tequila kreisen. Der so leicht errungene Erfolg löste die Zungen, und sie spotteten über die mexikanischen Soldaten, die sie mit Leichtigkeit aus Texas verjagen würden. An die Toten, die bei dem Scharmützel zurückgeblieben waren, verschwendeten sie keinen Gedanken.
Im Gegensatz zu den anderen Männern blieb Sam Houston nachdenklich. Er hatte sich zu Walther gesetzt und wies nun auf einen der eifrigsten Schreier.
»Der da gehört zu Travis’ Anhängern. Eigentlich ist er ein guter Mann, aber mit zu wenig Hirn«, sagte er leise.
Walther nickte mit verbissener Miene. »Es wird uns so schon nicht leichtfallen, mit dem mexikanischen Militär fertig zu werden. Wenn dann solche Narren mit Forderungen kommen, wir sollten unsererseits die Mexikaner aus Texas hinausjagen, treiben sie Männer wie Gamuzana und Jemelin auf die andere Seite. Dann stehen wir einem Feind gegenüber, der das Land genauso gut kennt wie wir und mit aller Erbitterung gegen uns kämpfen wird.«
»Ich habe schon mit Austin darüber gesprochen. Er möchte einige der mexikanischen Grundbesitzer davon überzeugen, sich uns anzuschließen. Es sind stolze Männer, die Santa Ana wegen seiner Grausamkeit verachten. Übrigens will Austin eine Truppe aufstellen, um General Cos im Süden von Texas entgegenzutreten und die mexikanischen Stützpunkte einzunehmen«, antwortete Houston, nahm die Tequilaflasche entgegen und trank einen Schluck.
Dann sah er Walther kopfschüttelnd an. »Stephen Austin ist ein guter Mann, aber kein Soldat. Er wird sich schwertun, und wir können nur hoffen, dass er keine groben Fehler begeht. Doch selbst in diesem Fall müssen wir vorbereitet sein.«
»Und wie?«, fragte Walther.
»Indem wir eine eigene Armee aufstellen. Andrew Jackson hat mich nach Texas geschickt, um dafür zu sorgen, dass es sich von Mexiko löst. Es leben mittlerweile fünf- bis sechsmal so viele Amerikaner hier wie Mexikaner. Der Präsident wollte Texas daher kaufen, aber die Regierung von Mexiko hat dieses Angebot abgelehnt, obwohl die mexikanische Staatskasse, um es salopp zu sagen, klamm ist. Stattdessen wurden neue Gesetze beschlossen, die alle Neusiedler gleichermaßen betreffen. Würden wir Santa Ana gewähren lassen, sähen wir uns alle in fünf Monaten jenseits des Sabine Rivers wieder, und die meisten hätten alles verloren, was sie je besessen haben.«
Houston sprach leise, aber eindringlich. Zwar war sein Einfluss in Texas noch zu gering, um Dinge in Bewegung zu setzen, aber er wollte bereit sein, wenn es so weit war. Dies erklärte er Walther und legte ihm schließlich die Hand auf die Schulter.
»Rufen Sie Ihre Freunde zusammen und bilden Sie daraus eine Kompanie. Ich kann Ihnen jetzt schon den Rang eines Captains der Miliz verschaffen. Sobald es ernst wird, treten Sie als Major in meine Armee ein – nein, besser als Colonel, da Leute wie Travis sich jetzt schon so nennen. Als Mann, der bei Waterloo dabei war, können Sie Ihre Männer besser ausbilden, als Austin oder die anderen es vermögen.«
Houstons Bitte brachte Walther in die Klemme, aber der Augenblick, in dem er hätte bekennen können, dass er die Schlacht bei Waterloo nur
Weitere Kostenlose Bücher