Der Wettermacher
Boot.
Das Schiff gehorchte den wenigen Ruderern nur widerwillig, selbst als sie endlich begriffen, was zu tun war. Schwerfällig glitt es schließlich durch die Einfahrt ins offene Meer, wo die schwereren Wellen den ungeübten Ruderern fast die Ruder aus den Fäusten schlugen. Mit Stöhnen und Flüchen kam das Boot schließlich wieder in Fahrt. Burra steuerte an der Küste entlang, ostwärts.
Ein vielstimmiges wütendes Heulen verkündete, daß die Sasgen im Lager eingetroffen waren und zur Bucht hinabstürmten.
Es war später Nachmittag. Eine gute Stunde noch bis zum Einbruch der Dämmerung. Wenn sie bis dahin durchhielten, standen ihre Chancen nicht einmal schlecht. Aber eines war bereits jetzt zu erkennen. Allein würden sie mit diesem Boot Gorgans Auge niemals erreichen. Sie brauchten Ruderer und jemanden, der diese Gewässer kannte. Thonensen hätte vielleicht nach den Sternen navigieren können, aber der Himmel war bedeckt, und es sah aus, als ob es so bleiben würde. Sie mußten dankbar sein, daß es nicht schneite.
Ihre einzige Chance, überlegte Nottr, war dieser Wettermacher. Er konnte ihnen vielleicht geben, was sie brauchten.
Ein klägliches Stöhnen ließ die Ruderer nach einer Weile aufhorchen. Eines der Bündel, die sie aus den Fellzelten der Sasgen in aller Eile mitgenommen hatten, bewegte sich.
Calutt näherte sich vorsichtig und öffnete die Verschnürung mit seinem Dolch. Mit einem halb wütenden, halb weinerlichen Laut strampelte sich der Troll aus dem Eisbärenfell, in das man ihn gesteckt hatte.
»Spitzbuben! Schurken!« kreischte er unter dem Grinsen der Ruderer.
Dann erkannte er, daß er nicht mehr unter Sasgen war und seine verkniffene Miene hellte sich auf.
»Yarolf ho!« rief er. »Die Barbaren! Freunde! Kampfgefährten! Welch eine Freude, euch zu sehen…!«
»Sie wird nicht von langer Dauer sein«, sagte Burra grimmig, »wenn wir uns nicht bis Einbruch der Nacht die Sasgen vom Hals halten können. Wie ist es, Troll? Soll ich dir den kleinen Hals umdrehen, oder bringst du freiwillig deinen Wettermacherfreund dazu, uns ein wenig zu helfen?«
»Freiwillig natürlich!« rief der Troll schrill. »Ganz freiwillig! Ich bin euer Freund, wißt ihr das nicht?« Er hob das Bündel hoch, in dem er verschnürt gewesen war, und streckte es Calutt entgegen. »Hier, ich habe ein Geschenk für euch.«
Der Schamane griff hinein und brachte mit einem freudigen Laut den Kupferkessel zum Vorschein.
Die Aussicht auf Opis in absehbarer Zeit hob die Laune der Ruderer gewaltig.
*
Toxapettl hatte den Mund nicht zu voll genommen. Sein Herr, der Wettermacher, wachte über ihn, aber es gab nicht allzuviel, das er für den Troll und die Gefährten tun konnte. Der Troll war der Mittelpunkt seiner Wettermagie, nur um ihn konnte er seine Kräfte entfalten. Der Troll selber war geschützt vor den Sturmböen und Blitzen oder der Eiseskälte der Magie seines Herrn. Aber nichts um ihn herum in weitem Umkreis war es.
Wäre er auf dem Schiff der Sasgen gewesen, es wäre längst gegen die Felsen geschmettert worden, wenn der Troll seinen Herrn um Hilfe gerufen hätte. Die Sasgen hatten gedroht, ihn einen Kopf kürzer zu machen, wenn das Wetter nicht besser würde. Und da der Troll nicht sicher war, ob die Äxte der Sasgen nicht rascher waren als die Blitze seines Herrn, hatte er nicht gewagt, ihn zu Hilfe zu rufen.
Hier nun stellten sich die Fähigkeiten des Wettermachers als sehr hilfreich heraus. Einen Sturm konnten sie nicht brauchen, denn sie hatten bei mäßigem Wind bereits genug Schwierigkeiten, das Boot zu rudern und zu manövrieren.
»Wenn ihr wenigstens ein Segel hättet!« jammerte der Troll.
»Dazu brauchten wir einen Mast«, erwiderte Burra unfreundlich.
»Ein wenig Rückenwind könnte trotzdem nicht schaden«, meinte Nottr.
So bat der Troll seinen Herrn um Rückenwind. Und sie bekamen Rückenwind.
Das Boot nahm Fahrt auf, und die Ruderer stellten die mühsame Arbeit ein. Doch mit dem Steuerruder allein war das Boot nicht zu steuern. Gegen die wachsenden Wellen kamen jedoch die Ruderer nicht mehr zurecht. Das Boot begann sich zu drehen, geriet quer zu den Wogen und kenterte fast, hätte der Troll nicht ein Stoßgebet zu seinem Herrn geschickt.
Der Rückenwind flaute augenblicklich ab, und die Wogen beruhigten sich. Mit grünen Gesichtern machten sich die Ruderer wieder an die Arbeit, vor allem, da sie hinter sich am Horizont das Sasgenboot zu sehen glaubten. Burras scharfe Augen fanden das
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