Der Wettermacher
Gorgans Auge, das es zu schließen galt, um den Heerscharen der Finsternis Einhalt zu gebieten.
Es war eine große Geschichte, eine der besten, die je erzählt worden waren an den Feuern der Sasgen.
Als der Morgen schon zu grauen begann, erfuhren die Lorvaner von Eislanden – nicht jenem Eislanden Thonensens und der Asgnorjen, sondern von der kargen wilden Küste, an der die Dörfer der Sasgen lagen. Sie erfuhren von Keltur, der durch Mythor einst eine Schlappe erlitten hatte und ihm ewige Rache schwor. Sie erfuhren, wie Keltur in diesem Frühjahr mit jedem kampffähigen Sasgen aufbrach, um die Inselfestung der Caer zu stürmen. Doch als sie an der Küste der Caer landeten, schlug ihnen eine Woge der Finsternis entgegen, der sie ohne Magie hilflos ausgeliefert waren.
Als Keltur einen Pakt mit den Priestern und ihren Dämonen eingehen wollte, war sein Tod der einzige Weg, es zu verhindern und den Frevel zu sühnen, den Keltur in seiner Gottlosigkeit begehen wollte. Die Sasgen hätten niemals andere Götter als die Ihren akzeptiert, weder solche des Lichts und noch weniger die Ungeheuer, die die Caer anbeteten.
So kam es, wie es kommen mußte: Ihre stolze Flotte wurde zerschlagen, und Rujden führte die Überlebenden auf kaum drei Dutzend heilen Schiffen heim. Aber sie wollten nicht mit leeren Händen heimkehren, geschlagen und wund, wie sie waren. So suchten sie nach Beute an Yortomens Küste, wo sie nach und nach ihre Schiffe in den Stürmen verloren, die der verdammte Wettermacher ihnen schickte. Bis nur noch sechs Boote übrig waren und sie davor zurückschreckten, aufs Meer hinauszufahren, um nicht auch noch diese Boote zu gefährden.
Aber nun, mit dem Troll in ihrer Hand, auf den der Wettermacher so große Stücke hielt, würde das alles anders werden.
Als die meisten Sasgen schnarchend schliefen, gegen die Kälte nur notdürftig in Felle gehüllt, fiel es auf, daß Rujden und Burra verschwunden waren. Die Sasgen waren zu sehr im Bann des Opis, um es zu merken.
Die Lorvaner, die sich beim Trinken zurückgehalten hatten, zogen sich auf ihr Boot zurück und berieten, was zu tun sei. Da der Troll murrte, weil er das wärmende Feuer im Lager nicht verlassen wollte, meinte Nottr, daß sie alle ein wenig Wärme gebrauchen könnten.
Aber der Wettermacher hatte es wohl satt, zu jeder Tages- und Nachtzeit seinem Troll Schönwetter zu bescheren.
Urgat schlug vor, alle Waffen der Sasgen einzusammeln und in eines der Boote zu laden, um ihnen, wenn sie aufwachten, gleich die Lust auf einen Überfall zu nehmen.
Baragg hielt es für das beste, alle Boote vom Strand zu schieben. Auf dem Wasser konnten sie sich gut verteidigen, wenn die Sasgen heranschwimmen mußten, um sie anzugreifen.
Und Khars schlug gar vor, die Trunkenheit der Sasgen zu nutzen, um mit ihrem Boot die Flucht fortzusetzen. Wenn sie am Ruder durchhielten, mochten sie Yarolfs Festung erreichen, bevor die Sasgen sie einholten.
Aber von Rudern wollte keiner etwas wissen, obwohl jeder der Opis-Freundschaft mit den Sasgen mißtraute.
So beschlossen sie, Wachen aufzustellen und abzuwarten, was Burra mit dem Sasgenhäuptling abmachte. Denn der Kampf war noch nicht entschieden.
6.
Es wurde fast Mittag, bis die Mehrzahl der Sasgen auf den Beinen stehen konnte.
Die Lorvaner waren wachsam. Es ging nicht ohne mißtrauische Blicke ab, als die Lorvaner aus ihrem Boot kamen. Die erbeuteten Vorräte waren noch in der Nacht verteilt worden. Oghden, der Rujdens Stellvertreter war, ließ niemandem Zeit, alte Feindseligkeiten aufzuwärmen. Es galt, neue Vorräte für die Weiterfahrt anzulegen. So sandte er eines der Boote zum Fischfang in die Bucht. Zwei Jagdtrupps machten sich auf den Weg ins Landesinnere. Diesen schloß sich auch Urgats Viererschaft an. Eines der Boote mußte ausgebessert werden. Feuerholz mußte herangeschafft werden.
Bis zum späten Nachmittag blieben sie über Rujdens und Burras Verbleib im unklaren. Oghden mochte Bescheid wissen, doch er schwieg.
Nottres Viererschaft und einige Sasgen begleiteten den Schamanen auf der Suche nach Opisblättern, aber da eine dünne Schicht Schnee lag, gaben sie ihre Suche bald auf.
Vor Einbruch der Dunkelheit traf auch das fünfte Boot, das die Lorvaner vor ihrer Flucht leck geschlagen hatten, ein. Die Sasgen hatten es ausgebessert, aber es war eine mühsame Arbeit gewesen, und sie waren nicht gut auf die Lorvaner zu sprechen. Und sie waren verdammt enttäuscht, daß die Verfolgung hier ein friedliches Ende
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