Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
weiß, dass sie dann etwas anders angesehen würde.«
    »Das hast du wie ein echter Gentleman geregelt, Chu. Wo sind die Kontoauszüge für die Kreditkarten?«
    »Hier. Was hast du vor?«
    Chu reichte Bosch den Ordner mit den Abrechnungen, die er von den Kreditkartenfirmen erhalten hatte.
    »Ich nehme das alles mit nach Hause.«
    »Was ist mit McQuillen? Verhaften wir ihn?«
    »Nein. Er ist schon weg.«
    »Du hast ihn laufenlassen?«
    »Ja.«
    »Und was ist mit der Beschlagnahmung der Uhr? Ich wollte den Antrag gerade ausdrucken.«
    »Den brauchen wir nicht mehr. Er hat zugegeben, Irving gewürgt zu haben.«
    »Das hat er zugegeben, und du hast ihn
laufen
lassen? Bist du jetzt …«
    »Hör zu, Chu, ich habe nicht die Zeit, um dir alles zu erklären. Schau dir das Video an, wenn du Probleme mit meinem Vorgehen hast. Nein, noch besser, du fährst zum Standard am Sunset Strip. Weißt du, wo das Hotel ist?«
    »Ja. Aber was soll ich dort?«
    »Geh da in das durchgehend geöffnete Restaurant und lass dir die Aufnahmen von der Kamera über der Bar geben, für die Nacht von Sonntag auf Montag.«
    »Und was soll da drauf sein?«
    »McQuillens Alibi. Ruf mich an, sobald du das bestätigen kannst.«
    Bosch packte alle Unterlagen in seinen Aktenkoffer. Nur die Mordakte passte nicht mehr hinein. Er klemmte sie sich unter den Arm und wandte sich zum Gehen.
    »Was machst du jetzt?«, rief ihm Chu hinterher.
    Bosch drehte sich zu ihm um.
    »Noch mal von vorn anfangen.«
    Er ging weiter zum Ausgang des Bereitschaftsraums. An der Anwesenheitstafel blieb er stehen und schob seinen Magneten in die Außer-Haus-Spalte. Als er sich zur Tür drehte, stand Chu vor ihm.
    »Das wirst du mir doch nicht antun, Harry?«
    »Das hast du dir selbst angetan. Du hast eine Wahl getroffen. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.«
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Und ich habe dir gesagt – nein, ich habe dir versprochen –, dass ich ihn wieder ausbügele.«
    Bosch streckte die Hand aus und schob Chu behutsam zur Seite, damit er die Tür öffnen konnte. Er ging ohne ein weiteres Wort auf den Flur hinaus.
     
    Auf dem Heimweg fuhr Bosch über East Hollywood und hielt hinter dem Imbissstand
El Matador
in der Western an. Er musste an Chus Bemerkung über den inneren Widerspruch denken, dass die Western Avenue in East Hollywood lag. Das gab’s nur in L.A., dachte er, als er ausstieg.
    Weil es noch früh war, stand niemand beim Imbiss an. Der
Taquero
rüstete sich gerade für den abendlichen Ansturm. Bosch bat ihn, genügend Carne asada für vier Tacos zum Mitnehmen abzufüllen und die weichen Tortillas in Alufolie einzurollen. Dazu nahm er noch Guacamole, Reis und Salsa, und der Mann packte alles in eine Tüte. Während Bosch wartete, simste er seiner Tochter, dass er etwas zu essen mitbrächte, weil er zu viel zu tun hätte, um selbst etwas zu kochen. Sie antwortete, das wäre okay, sie käme schon halb um vor Hunger.
    Zwanzig Minuten später trat Bosch durch die Eingangstür seines Hauses. Seine Tochter las im Wohnzimmer ein Buch und hörte Musik. Er blieb wie angewurzelt in der offenen Tür stehen, in der einen Hand die Tüte mit den Tacos, in der anderen den Aktenkoffer, die Akte unter den Arm geklemmt.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Du hörst Art Pepper?«
    »Wieso nicht? Super Musik zum Lesen.«
    Er grinste und ging in die Küche.
    »Was möchtest du trinken?«
    »Ich hab schon ein Wasser.«
    Bosch machte ihr einen Teller mit Tacos und allen Beilagen und brachte ihn ihr. Dann ging er in die Küche zurück und aß seine zum Überquellen gefüllten Tacos über der Spüle. Als er fertig war, beugte er sich zum Hahn hinab und trank das Wasser direkt aus der Leitung. Nachdem er sich mit einem Küchentuch den Mund abgewischt hatte, machte er sich am Esszimmertisch an die Arbeit.
    »Wie war’s in der Schule?«, fragte er, als er seinen Aktenkoffer öffnete. »Warst du wieder nicht Mittag essen?«
    »Die Schule war ätzend wie immer. Mittagessen war ich deshalb nicht, weil ich für den Algebra-Test gelernt habe.«
    »Und? Wie lief’s?«
    »Wahrscheinlich habe ich es verbockt.«
    Er wusste, sie sah viel zu schwarz. Sie war eine gute Schülerin. Sie hasste Algebra, weil sie sich kein Leben vorstellen konnte, in dem es nützlich wäre. Vor allem im Moment nicht, wo sie Polizistin werden wollte – das behauptete sie jedenfalls.
    »Du warst sicher wesentlich besser, als du denkst. Liest du das für die Schule? Was ist es?«
    Sie hielt das Buch so,

Weitere Kostenlose Bücher