Der Widersacher
Nähe in Bereitschaft.«
»Dann sind Sie also nach der Begegnung mit Irving dorthin?«
»Ja, es gibt dort ein Restaurant, das 24/7 . Das hat rund um die Uhr geöffnet, und über der Bar ist eine Kamera. Dort bin ich hin und habe so lange an der Bar gesessen, bis die Sonne aufgegangen ist. Wenn Sie sich die Aufnahme besorgen, werden Sie mich die ganze Zeit darauf sehen. Als Irving gesprungen ist, habe ich Kaffee getrunken.«
Bosch schüttelte den Kopf, als wäre die Geschichte nicht schlüssig.
»Woher wussten Sie, dass Irving nicht springen würde, bevor Sie im Standard ankamen? War das nicht ein bisschen riskant?«
»Das konnte er nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil er vorübergehend außer Gefecht war.«
Bosch starrte McQuillen eine Weile verständnislos an, bevor es ihm dämmerte. Erneut hatte der ehemalige Polizist ihn überrumpelt.
»Sie haben ihn ein zweites Mal gewürgt, damit er erneut das Bewusstsein verlor. Aber Sie haben sich vergewissert, dass er noch atmet.«
Bosch erinnerte sich an den Radiowecker in Irvings Hotelzimmer.
»Danach sind Sie ins Schlafzimmer gegangen und haben den Wecker geholt. Den haben Sie neben Irving auf dem Boden plaziert und den Alarm auf vier Uhr morgens gestellt. Damit er erst aufwacht und springt, wenn Sie ein wasserdichtes Alibi haben.«
Bosch beugte sich über den Tisch und sah McQuillen durchdringend an.
»Sie können gehen.«
McQuillen nickte selbstgefällig.
»Schön.«
»Ja, McQuillen, genießen Sie es. Fünfundzwanzig Jahre lang dachte ich, Ihnen wäre übel mitgespielt worden. Aber inzwischen glaube ich, dass es doch nicht den Falschen erwischt hat. Sie sind menschlich ein übler Kerl, und deshalb können Sie auch kein guter Cop gewesen sein.«
»Was wissen Sie denn schon über mich, Bosch?«
»Zumindest so viel weiß ich. Sie sind in dieses Zimmer hoch und hatten einen Plan. Man klettert nicht die Feuerleiter rauf, bloß um jemanden zur Rede zu stellen. Deshalb interessiert mich nicht, dass Ihnen mal übel mitgespielt wurde. Mich interessiert nur, dass Sie gewusst haben, was Irving vorhatte, und dass Sie nicht versucht haben, ihn daran zu hindern. Im Gegenteil, Sie haben es geradezu darauf angelegt, dass er sein Vorhaben in die Tat umsetzt. In meinen Augen ist das keine Lappalie. Es ist vielleicht kein Verbrechen, aber es sollte so behandelt werden. Jedenfalls werde ich damit, wenn das hier vorüber ist, zu jedem Staatsanwalt gehen, den ich kenne, und zwar so lange, bis ich einen finde, der es vor eine Grand Jury bringt. Heute Abend können Sie unbehelligt nach Hause gehen, aber nächstes Mal werden Sie nicht so viel Glück haben.«
McQuillen nickte die ganze Zeit, während Bosch redete, so, als könnte er es kaum erwarten zu hören, was Bosch zu sagen hatte.
Als Bosch schließlich zum Schluss kam, entgegnete McQuillen vollkommen ungerührt: »Dann weiß ich ja jetzt, worauf ich mich gefasst machen muss.«
»Allerdings. Freut mich, Ihnen dabei behilflich gewesen zu sein.«
»Wie komme ich in die B&W-Zentrale zurück? Sie haben mir versprochen, dass mich jemand zurückfährt.«
Bosch stand auf und ging zur Tür.
»Nehmen Sie sich ein Taxi.«
[home]
29
C hu beendete gerade ein Telefonat, als Bosch in das Abteil zurückkam.
»Und?«, fragte Bosch. »Irgendwas rausgefunden?«
Chu schaute auf den Notizblock auf seinem Schreibtisch, als er antwortete.
»Ja, in den Minibars der Suiten ist immer eine Flasche Jack Daniel’s. Eine kleine Flasche mit 0 , 35 Liter. Und in Suite neunundsiebzig fehlt die Flasche.«
Bosch nickte. Das war eine weitere Bestätigung von McQuillens Geschichte.
»Und der Blutalkohol?«
Chu schüttelte den Kopf.
»Haben sie noch nicht gemacht. Die Rechtsmedizin meint, dazu kommen sie erst nächste Woche.«
Verärgert schüttelte Bosch den Kopf. Er hätte Kiz Rider und das Büro des Polizeichefs einschalten sollen, um der Rechtsmedizin wegen der Blutuntersuchung Druck zu machen. Er ging zu seinem Schreibtisch und begann, auf seiner Mordakte Berichte zu stapeln. Er hatte Chu den Rücken zugekehrt, als er fragte:
»Wie hast du die Veröffentlichung rückgängig gemacht?«
»Ich habe sie angerufen. Ich habe ihr gesagt, wenn sie die Meldung bringt, gehe ich zu ihrem Chef und sage ihm, dass sie Informationen gegen Sex tauscht. Ich schätze mal, das gilt sogar bei denen da drüben als Verstoß gegen ethische Richtlinien. Ihren Job würde es sie vielleicht nicht gleich kosten, aber eine empfindliche Delle wäre es schon. Sie
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